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Aus: Ausgabe vom 16.03.2023, Seite 5 / Inland
Union Busting

Flink vor die Tür gesetzt

Berlin: Arbeitsgericht erklärt Kündigung von Initiator eines Betriebsrates für ungültig – Arbeitsvertrag dennoch aufgelöst
Von Simon Zamora Martin
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Essenslieferanten: Kaum auf dem Sattel – und schon geschasst (Berlin, 13.8.2021)

Showdown am Berliner Arbeitsgericht: Die Richter urteilten am Dienstag ein weiteres Mal über eine Kündigungsschutzklage eines entlassenen Beschäftigten beim Lebensmittellieferdienst Flink, der einen Betriebsrat initiieren wollte. Der Kammerspruch: Die Kündigung ist zwar ungültig, in den Betrieb darf der Geschasste trotzdem nicht zurück.

Zum Hintergrund: Seit den wilden Streiks beim Flink-Konkurrenten Gorillas im Jahr 2021 versuchen vermehrt Beschäftigte, Betriebsräte in der Branche zu gründen. So auch bei dem On-Demand-Lieferdienst Flink, zu dessen größten Geldgebern die deutsche Supermarktkette Rewe gehört. Anfang September hatten Kollegen auf einer Betriebsratsversammlung einen Wahlvorstand gewählt, der die Wahl eines Betriebsrates (BR) organisieren sollte. Es soll eine »Chaosversammlung« gewesen sein, berichtete damals der Tagesspiegel. Demnach hätten die Initiatoren der Versammlung von Flink keine Listen der Beschäftigten bekommen, um diese einzuladen und zu prüfen, wer berechtigt ist, an der Versammlung teilzunehmen. Am Ende des Tages wurde ein Wahlvorstand bestellt. Doch Betriebsratswahlen konnte das Gremium nicht einberufen. »Aufgrund von Schikane«, wie Anwalt Martin Bechert am Mittwoch zu jW sagte.

Zwei Mitgliedern, die zu der Betriebsversammlung eingeladen hatten, wurde bereits im Vorfeld gekündigt, obwohl sie in ihrer Funktion einen erweiterten Kündigungsschutz genossen, so Bechert. Einer der entlassenen Initiatoren ist Elmar Wiegand, Sprecher der »Aktion gegen Arbeitsunrecht«. Weil sich Flink offenbar nicht sicher war, ob die Kündigung legal gewesen sei, erhielt Wiegand im Anschluss der Versammlung zwei weitere. Die Begründung: Wiegand habe in Publikationen die Jobsituation bei Flink wiederholt kritisiert – und von Union Busting gesprochen. Wiegands Anwalt Bechert sieht ein »Demokratieproblem« beim Unternehmen, da Kritik an Flink unterbunden wird. So auch bei seinem Mandanten.

Was sagt Flink zu den Vorwürfen? »Grundsätzlich ist es unseren Mitarbeitenden erlaubt, publizistisch tätig zu sein«, erklärte ein Firmensprecher auf jW-Nachfrage. Doch Wiegand hätte in seiner publizistischen Tätigkeit Mitarbeiter in verschiedenen Funktionen »fortlaufend angegriffen und dabei in unzulässiger Art und Weise diffamiert«. Beleidigungen, die eine Kündigung trotz Sonderkündigungsschutz erlauben? Das Arbeitsgericht sah dies anders und erklärte alle drei Kündigungen für nichtig.

Was ist aus der BR-Wahl geworden? Zunächst nichts. Der Druck auf die Initiatoren war extrem hoch, der Wahlvorstand hatte sich im November 2021 aufgelöst. »Wir sind einfache Arbeiter*innen, die Mindestlohn bekommen, es ist unmöglich für uns, ein Wettrüsten gegen ein Unternehmen zu gewinnen, das fünf Milliarden Euro wert ist«, hatten die engagierten Beschäftigten erklärt. Aber: Das Arbeitsgericht soll nun einen neuen Wahlvorstand berufen. Wie will Flink darauf reagieren? Das Unternehmen werde die Bestrebung der Gründung eines BR unterstützen, sagte der Firmensprecher, jedoch sicherstellen müssen, »dass sich dieser unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Vorgaben bildet«. Anwalt Bechert bleibt skeptisch.

Auch deswegen: Trotz rechtswidriger Kündigungen wurde Wiegands Arbeitsvertrag auf Antrag von Flink seitens der Arbeitsrichter aufgelöst. Flink sieht darin einen Sieg. Bechert kritisiert diese Entscheidung, denn damit würden unrechtmäßige Kündigungen »durch die Hintertür wirksam«. Sobald die schriftliche Begründung des Urteils vorliegt, werden Wiegand und Bechert eine Revision prüfen.

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