Noch schärfer gegen Iran
Von Knut Mellenthin
Das EU-Trio Deutschland, Frankreich und Großbritannien hat in dieser Woche einen auffallend anmaßenden Vorstoß unternommen, sich in die Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) einzumischen und den Konflikt mit dem Iran wegen dessen Atomprogramm zu verschärfen. Zuvor hatte IAEA-Chef Rafael Grossi am Freitag und Sonnabend Gespräche in Teheran geführt und eine verstärkte Zusammenarbeit vereinbart. Daher war allgemein erwartet worden, dass der Tagesordnungspunkt Iran während der Sitzung des Board of Governors der Behörde, die am Montag begann und an diesem Freitag abgeschlossen wurde, professionell und sachlich behandelt würde.
Um so überraschender war der aggressive, gewollt undiplomatische Ton der gemeinsamen Stellungnahme des EU-Trios, die am Dienstag von den Vertretern des Vereinigten Königreichs und der BRD, Corinne Kitsell und Götz Schmidt-Bremme, präsentiert wurde. Unter anderem enthielt der Text dramatisierende und verfälschende, nicht durch Fakten gestützte Behauptungen, die nicht den Aussagen in Grossis Einführungsrede vom Montag entsprachen.
Herausragend ist der Umgang des EU-Trios mit der Mitteilung der IAEA, dass in einer iranischen Atomanlage Uran-»Partikel« mit einem Anreicherungsgrad von 83,7 Prozent entdeckt worden seien. Das wäre nahe an der Herstellung von waffenfähigem Uran. Nach eigenen Angaben und nach den bisherigen Feststellungen der IAEA reichert der Iran bis maximal 60 Prozent an. Dass dabei ganz kurzzeitig und in mikroskopisch winzigen Größenordnungen vorübergehend höhere Anreicherungsstufen auftreten können, ist unstrittig. Zur Untersuchung des Sachverhalts befinden sich die in Wien ansässige Behörde, eine Unterorganisation der UNO, und ihr nationales iranisches Pendant in einem kooperativen Prozess. In seiner Ansprache am Montag sagte Grossi dazu nur einen einzigen Satz: »Die Behörde und der Iran haben technische Gespräche zur vollständigen Aufklärung dieses Problems begonnen.«
In der gemeinsamen Stellungnahme des EU-Trios wird aus dem »alarmierenden« Vorfall, ohne sachliche Anhaltspunkte für eine derartige Anschuldigung, »eine extrem ernste Eskalation« und ein – offenbar als absichtlich unterstellter – »Schritt, der den Iran gefährlich nahe an tatsächliche waffenbezogene Aktivitäten bringt«. Im Kommandoton wird Teheran aufgefordert, »substantielle, glaubwürdige Erklärungen« für das Auftreten dieses hohen Anreicherungsgrades zu liefern. Als »Unterstützung« Grossis deklariert, versuchen die drei Regierungen offensichtlich, dem IAEA-Chef in seine Bemühungen hineinzureden und ihn unter Druck zu setzen.
Was sie sich davon praktisch versprechen, ist nicht nachvollziehbar. Vermutlich wissen sie selbst aus Erfahrung, wie kontraproduktiv diese Umgangsformen gegenüber dem Iran sind. Dafür spricht die Ankündigung des EU-Trios in der gemeinsamen Stellungnahme: »Wir werden, zusammen mit internationalen Partnern, die Beratungen fortsetzen, wie am besten gegen Irans unvermindert anhaltende gefährliche atomare Eskalation vorzugehen ist.«
Fürs erste droht das EU-Trio jetzt schon an, bei der im Juni fälligen nächsten Sitzung des Board of Governors auf »weitere Aktionen« zu drängen, falls Teheran bis dahin nicht sämtliche Forderungen erfüllt hat. Dazu gehört, wie es in der gemeinsamen Stellungnahme heißt, eine Resolution mit der Feststellung, dass die IAEA nicht verifizieren könne, ob der Iran nicht deklariertes nukleares Material besitzt. Damit würde es möglich, das Thema auf die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats zu setzen. Aber eine Verurteilung Teherans und ein Beschluss über Strafmaßnahmen würden dort höchstwahrscheinlich am Veto Russlands und Chinas scheitern. Wie es danach weitergehen könnte, hat das EU-Trio noch nicht erklärt.
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