Bause, Thiele, Gerber, Kraußer
Von Jegor Jublimov
Nicht viele wissen, dass der Berliner Sophien-Friedhof Ruhestätte großer Komponisten ist. Hier liegen Albert Lortzing (»Zar und Zimmermann«), Walter Kollo (»Untern Linden, untern Linden«) und Arndt Bause (»Sing, mei Sachse, sing«). Der Leipziger ist am 11. Februar vor 20 Jahren in Berlin gestorben. Er war Glasbläser und übte diesen Beruf bis 1968 aus, als sein Töchterchen Inka geboren wurde und er seine Familie endlich vom Komponieren ernähren konnte. Alles Weitere ist legendär. Er verhalf u. a. Andreas Holm, Britt Kersten, Monika Herz, Helga Hahnemann und Frank Schöbel an die Spitzen der Hitparaden.
So oder so ist er ein »alter Dessauer«. Der Schauspieler und Regisseur Karl Thiele wurde am Sonntag vor 75 Jahren in Brandenburg geboren. Gleich nach dem Schauspielstudium in Babelsberg ging er 1971 ans Landestheater Dessau, wo er im Laufe von über 50 Jahren 40 Stücke inszenierte und 160 Rollen spielte – darunter auch den »Alten Dessauer« in einem Freiluftspektakel nach eigenem Buch. Inzwischen ist er Ehrenmitglied des Anhaltischen Theaters, dessen Ensemble er auch für mehrere Jahre leitete. Allgemein bekannt wurde er durch Auftritte bei Film und Fernsehen. Frank Beyer holte Thiele 1970 als einen der 1945 meuternden Wehrmachtsmatrosen in seinen Fünfteiler »Rottenknechte« und gab ihm 1973 eine Rolle in seinem Gegenwartsvierteiler »Die sieben Affären der Doña Juanita« neben Renate Blume. Thiele spielte Hauptrollen in der Reihe »Der Staatsanwalt hat das Wort«, und einer seiner schönsten Fernsehauftritte war 1980 als vogtländischer Geigenbauer in dem Liebesfilm »Solo für Martina« neben Ellen Hellwig.
In »Rottenknechte« war auch Michael Gerber dabei, der in Cottbus aufwuchs und am Freitag 80 wird. Nach Stationen in Anklam und Potsdam kam er 1972 ans Berliner Ensemble, wo er fast ein Vierteljahrhundert lang in Stücken von Brecht, Hacks, Zuckmayer, Volker Braun und Thomas Brasch auf der Bühne stand, ehe er 1995 zum Deutschen Theater wechselte. Auch vor der Kamera sah man ihn oft. Seine Charakterstudien als Schauspielerdarsteller in Karin Herchers Fontane-Adaptionen »Mathilde Möhring« (1983) und »Die Poggenpuhls« (1984) bleiben ebenso in Erinnerung wie 1999 seine Rolle als Inge Kellers Partner in dem Film »Lola und Bilidikid« über die Kreuzberger Subkultur.
Im Defa-Dokumentarfilmstudio gab es eine Gruppe für Kinder- und Jugendfilme, die mitunter auch Experimentelles zuließ. Jochen Kraußer war ein Krankenpfleger aus Hildburghausen, der in Babelsberg Film studierte und bei der Defa poetische Filme machte. Stets stellte er die einzelne Persönlichkeit und weniger das Kollektiv in den Mittelpunkt, gleichgültig, ob es sich dabei um den Pädagogen Friedrich Fröbel oder den Politiker Ernst Thälmann handelte. Das schuf Sympathie. Sein ungewöhnlichster Film war »Die Leuchtkraft der Ziege« (1987/90) um eine Lok ohne Wagen und einen von Rolf Sakulowski gespielten jungen Filmemacher. Ein Werk voller Absurditäten, die jeder Kleingeistigkeit Hohn sprachen. Darauf kann Kraußer, der am Dienstag 80 wurde, noch immer stolz sein.
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