Armee bald wieder in Belfast
Von Dieter Reinisch
In den kommenden Wochen werden die Feuerwehrleute im Vereinigten Königreich streiken. Um die Auswirkungen des Streiks zu minimieren, will die Regierung Soldaten als Streikbrecher einsetzen – nicht das erste Mal in der aktuellen Streikwelle. Bereits im Dezember setzte sie Armeeangehörige ein, um streikende Rettungsfahrer und Grenzbeamte zu ersetzen. Doch die Entsendung der Armee stößt besonders in Nordirland auf Widerstand.
Der Berufsverband der Feuerwehren, Northern Ireland Fire and Rescue Service (NIFRS), versucht nun, mit der Feuerwehrgewerkschaft FBU eine Sonderlösung zu verhandeln, die verhindert, dass die Armee auf den Straßen katholischer Wohngebiete sichtbar ist. Der Einsatz des Militärs in anderen Landesteilen sei zwar eine wichtige Eventualität, aber die »einzigartigen« Umstände in Nordirland verlangten Ausnahmeregelungen, sagte NIFRS-Chef Andy Hearn laut Irish News am Sonnabend.
Einem Bericht des Guardian vom 26. Januar zufolge sollen »Hunderte Armeeangehörige nach Nordirland entsandt werden«. »Jede Truppenentsendung würde ernsthafte Sicherheitsbedenken und politische Probleme aufwerfen«, kommentierte die Zeitung. Erst 2007 beendete die britische Armee ihre Operation in Nordirland. Am Höhepunkt des Nordirland-Konflikts waren 30.000 Soldaten in der Provinz stationiert. Auch heute unterstützt die Armee die Polizei bei Bombendrohungen. 2009 starben zwei Soldaten bei einem Anschlag der paramilitärischen Real IRA auf eine Kaserne in der Grafschaft Down. Sie wurden dort für den Einsatz in Afghanistan ausgebildet.
Gerade unter den nordirischen FBU-Mitgliedern ist die Streikbereitschaft derweil besonders groß. Wie die Gewerkschaft vergangenen Dienstag bekanntgab, hat sie mit 94 Prozent für Kampfmaßnahmen gestimmt. Auch in Großbritannien sprachen sich mehr als 80 Prozent der 32.000 Feuerwehrleute für Arbeitsniederlegungen aus. Sie fordern einerseits mehr Gehalt. Im November lehnten FBU-Mitglieder im Vereinigten Königreich ein Gehaltsangebot von fünf Prozent ab, da es weit unter der Inflation lag. Andererseits kämpft die FBU auch für mehr Arbeitsschutz. Laut einer aktuellen Studie der Universität Central Lancashire leiden mehr als ein Dutzend der Einsatzkräfte, die 2017 den Brand im Grenfell-Wohnturm in London bekämpften, fünf Jahre später an Krebs.
Bevor die Streikdaten bekanntgegeben werden, hat die FBU der Regierung bis zum 9. Februar Zeit gegeben, um das Lohnangebot zu verbessern. Aber ein Vorschlag, der die FBU zufriedenstellen würde, ist nicht zu erwarten. Bereits am 9. Januar hatte die Gewerkschaft einen Generalstreik gefordert, um das Antistreikgesetz der Regierung zu Fall zu bringen. Die Feuerwehrleute sind vom Antistreikgesetz als eine von sechs Berufsgruppen direkt betroffen.
Nun plant die britische Regierung, Soldaten erneut als Streikbrecher zu bezahlen – trotz schlechter Erfahrungen im Dezember. Während des Ausstands der Rettungsdienste setzte die Regierung Armeepersonal als Fahrer ein. Während des Streiks der Zollbeamten der PCS-Gewerkschaft ließ sie Soldaten über Weihnachten zu Grenzkontrolleuren ausbilden. Beides war nicht erfolgreich. Die Ausbildung war zu kurz, so dass die Soldaten nicht in der Lage waren, die streikenden Arbeiter zu ersetzen, und so sorgten sie schlussendlich für noch weitere Verzögerungen.
Der NIFRS hofft, dass es in Nordirland zu einer Einigung kommt, wodurch die streikenden Feuerwehrleute »auf die schwerwiegendsten Notrufe reagieren könnten, ohne auf militärische Unterstützung angewiesen zu sein«. Hearn betonte, er respektiere die Abstimmung, unterstütze eine Gehaltserhöhung und erkenne das Recht der Feuerwehrleute an, an einem friedlichen Streik teilzunehmen: »Ich bin der festen Überzeugung, dass es im Interesse aller Beteiligten ist, besondere Maßnahmen für streikende Feuerwehrleute in Nordirland zu treffen«, zitierte ihn Irish News. Wenn diese Woche keine Einigung erzielt wird, würde er aber gezwungen sein, »widerwillig« die »Beantragung von Militärhilfe für die Zivilbehörde« beim Gesundheitsministerium zu stellen, so Hearn.
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