Brasilien will vermitteln
Von Jörg Kronauer
Brasilien wird der Ukraine keine Munition liefern und sich statt dessen um politische Vermittlung zwischen Kiew und Moskau bemühen. Das hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva am Montag (Ortszeit) anlässlich seines Treffens mit Bundeskanzler Olaf Scholz mitgeteilt. Lula erläuterte mit Blick auf die Bitte Berlins, der Ukraine Munition für »Gepard«- und »Leopard 1«-Panzer aus dem Besitz der brasilianischen Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, sein Land habe »kein Interesse« daran: Man wolle »keinerlei Beteiligung an diesem Krieg, auch nicht indirekt«.
Seine Regierung sei jedoch gewillt, sich als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine zu betätigen. Es sei »notwendig, eine Gruppe von Ländern zu bilden, die stark genug ist und respektiert wird«, erklärte Lula, »und sich mit den beiden an einem Verhandlungstisch zusammenzusetzen«. Dabei spielten »unsere chinesischen Freunde eine sehr wichtige Rolle«: »Es ist Zeit, dass China anpackt.« Lula fügte hinzu, er habe über seine Vorstellungen schon mit Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gesprochen.
Der Bundeskanzler war bemüht, trotz der doppelten Abfuhr beim Abschluss seiner Südamerikareise einen vermeintlichen Schulterschluss mit Lula zu suggerieren. Scholz pries die angekündigten Klimaschutzvorhaben der brasilianischen Regierung als »sehr gute Nachrichten für unseren Planeten« und lobte, es gebe auf ökonomischem Gebiet »viele Themen, bei denen wir eng zusammenarbeiten wollen«. Explizit nannte er eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie die Herstellung von »grünem« Wasserstoff. Zudem seien sich beide Seiten einig, das Freihandelsabkommen der EU mit dem Mercosur nach beinahe einem Vierteljahrhundert nun endlich unter Dach und Fach zu bekommen.
Scholz kündigte nicht zuletzt an, die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen wieder aufzunehmen, die 2015 gestartet, aber unter Lulas Amtsvorgänger Jair Bolsonaro eingefroren worden waren. Als Termin stellte Scholz einen noch nicht näher genannten Zeitpunkt im Herbst dieses Jahres in Aussicht.
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Leserbrief von Volker Wirth aus Berlin ( 2. Februar 2023 um 14:00 Uhr)Dass Brasilien zusammen mit China vermitteln will, sollte auch aus der Überschrift ersichtlich werden, Freunde. Das ist extrem wichtig! Solche Initiativen kommen aus einem BRICS-Land! Nicht aus einem NATO-Land (weil die doch offenbar Konfliktpartei ist). Aber ist es nicht beschämend für unser Land, dass Scholz ihn anscheinend auch nicht um Vermittlung gebeten hatte?! Lula gegenüber saß da offenbar ein Waffen- und Munitionsbeschaffer im Range eines Bundeskanzlers, dem es nur darum geht, das westliche Kondominium (gemeinsames Kolonialgebiet) Ukraine am Weiterkämpfen zu halten! Egal wieviele Russen und Ukrainer, Polen, Georgier, Tschetschenen, Briten etc. und am Ende auch Deutsche noch sterben müssen oder für den Rest des Lebens zum Krüppel werden. Was für ein kläglicher Versager.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Detlev R. aus Tshwane, Südafrika (31. Januar 2023 um 20:46 Uhr)Als Luiz Inácio Lula da Silva seine erste Amtszeit als Präsident von Brasilien antrat, sprachen manche Linke in Südafrika begeistert vom »Lula moment«, den sie sich in ihrem Land auch wünschten. Und in der Tat, jetzt erhofft man sich noch viele Lula-Momente in dieser brisanten und gefährlichen Zeit des Stellvertreterkrieges in der Ukraine zwischen USA-NATO und Russland. Brasilien gehört zu jener Mehrheit der UNO-Mitgliedsstaaten, die dem Druck widerstehen, sich auf seiten des »kollektiven Westens« im Kampf gegen Russland und China einzureihen. Vielmehr beginnen sie spürbar, ihr Gewicht in die Waagschale zugunsten einer multipolaren Weltordnung zu werfen. Manche sprechen von einer neuen nichtpaktgebundenen Bewegung. Brasiliens Präsident Lula übernimmt hier offensichtlich eine aktive Rolle. Seine Vermittlungsinitiative ist eine historische Chance für eine Kompromiss- und Friedenslösung in der Ukraine. Und zugleich ist sie echte und wirksame Solidarität mit den Menschen, die in der Ukraine unter dem Kriegsgemetzel leiden.
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