Immer weiter nach rechts
Von Knut Mellenthin
Nach dem Anschlag eines Palästinensers am Freitag abend, bei dem sieben Menschen getötet wurden, setzt die israelische Regierung auf eskalierende Maßnahmen. Erste Beschlüsse wurden am späten Sonnabend während einer Sitzung des sogenannten Sicherheitskabinetts gefasst, an der auch die Chefs der Streitkräfte und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet teilnahmen. Sie brauchten noch die Zustimmung des vollen Kabinetts, das in der Regel an jedem Sonntag zusammenkommt, doch galt dies von vornherein als unproblematisch.
Schon vor der Sitzung des Sicherheitskabinetts hatte Verteidigungsminister Yoav Galant nach einem Treffen mit Stabschef Herzl Halevi und Schin-Bet-Chef Ronen Bar erste Entscheidungen verkündet: Er habe die Einsatzkräfte angewiesen, ihre Aktivitäten zu verstärken, besonders auch im Raum Jerusalem, und die Zahl »präventiver Operationen gegen jeden« zu verstärken, »der Angriffe auf unsere Bürger plant«. Die zuständigen operativen oder mit Rechtsfragen befassten Abteilungen hätten den Auftrag erhalten, eine Reihe möglicher Strafmaßnahmen »gegen Terroristen und deren Familien« zu prüfen.
Über diese wurde kurz darauf im Sicherheitskabinett schon konkret gesprochen: Die Familienangehörigen von »Terroristen« sollen ihre Wohnung und gegebenenfalls auch ihre israelische Staatsbürgerschaft und ihre Ansprüche aus der Sozialversicherung verlieren. Diese rechtswidrigen und menschenverachtenden Ideen scheinen noch stark erweiterungsfähig. Ihre innere Logik beziehen sie aus dem Bewusstsein, dass die meisten Attentäter ausgesprochen gleichgültig gegenüber dem eigenen Tod sind und dass ganz andere Mittel erforderlich sind, um vielleicht dennoch eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Schon seit Jahren ist vorgeschrieben, dass Häuser, in denen »Terroristen« gewohnt haben, nach gewaltsamer Entfernung aller Bewohner zuerst versiegelt und später zerstört werden.
Zu den Vorschlägen des Sicherheitskabinetts gehört außerdem, dass die ohnehin enorme Zahl von privaten Schusswaffen in den Händen jüdischer Israelis noch weiter vergrößert werden soll, indem deren Erwerb ermutigt, erleichtert und beschleunigt werden soll.
Am späten Sonnabend nach Ende der Schabbat-Ruhe fanden zum vierten Mal Protestkundgebungen gegen die demokratiefeindlichen Pläne der von Benjamin Netanjahu geführten ultrarechten Regierung statt. Unter dem Eindruck des Anschlags am Freitag ging die Teilnehmerzahl deutlich zurück: Während vor einer Woche allein in Tel Aviv über 100.000 Menschen auf der Straße waren, sollen es an diesem Sonnabend in ganz Israel zusammen ungefähr 60.000 Protestierende gewesen sein.
Am frühen Sonntag morgen sorgte eine Meldung des in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) ansässigen Senders Al-Arabija für Alarm: Israel habe »nach unbestätigten Berichten« eine »militärische Spezialoperation« gegen den Iran gestartet. In Wirklichkeit bezog sich diese Meldung aber nur auf einen Vorfall, den das Verteidigungsministerium in Teheran deutlich kleinformatiger schildert: Drei Mikrodrohnen hätten eine nicht weiter bezeichnete »militärische Werkstatt« in der Stadt Isfahan angegriffen. Eine sei von der Luftabwehr abgeschossen worden, die anderen beiden hätten sich in »Verteidigungsfallen« verfangen und seien explodiert. Es seien lediglich geringfügige Schäden am Dach entstanden.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Januar 2023 um 13:41 Uhr)Netanjahu will Rache und gießt Öl ins Feuer, während die Krise in Israel eskaliert. Die israelische Sicherheitsbehörde werde »zusätzliche Abschreckungsmaßnahmen gegenüber den Familien von Terroristen, die den Terrorismus unterstützen«, prüfen, darunter den Entzug des Aufenthaltsrechts in Jerusalem und der israelischen Staatsbürgerschaft sowie ein Gesetz, das es Arbeitgebern ermöglicht, Arbeitnehmer, die »den Terrorismus unterstützt« haben, ohne Anhörung zu entlassen. Zu den weiteren vom Kabinett skizzierten Maßnahmen gehören der Entzug von Sozialversicherungs- und Gesundheitsleistungen für Familienangehörige von Attentätern, Änderungen in der Politik, die den Abriss von Häusern von Palästinensern, die Terroranschläge verüben, erleichtern sollen. Alle diese Maßnahmen sind völkerrechtswidrig und dürften die Spannungen sowohl mit der palästinensischen Öffentlichkeit als auch mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die Teile des besetzten Westjordanlandes kontrolliert, zu einem Zeitpunkt verschärfen, an dem die Region bereits gefährlich nahe vor einer Eskalation steht! Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, machte am Samstag Israel für den Anstieg der Gewalt verantwortlich.
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