Heißer Atem
Von Arnold Schölzel
An die 100 »Leopard«-Kampfpanzer plus 31 »Abrams« aus den USA für Kiew kann Olaf Scholz auf seiner Habenseite verbuchen. Des Kanzlers Obrigkeit nimmt’s gnädig entgegen, will aber mehr. Am Donnerstag titelt also FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler seinen Leitartikel »Der Kanzler marschiert«, lässt diesem Lob aber – wie bei ausnahmsweise botmäßigem, insgesamt aber lausigem Personal nötig – pädagogisch wertvollen Tadel folgen. Es sei zwar »ein Fehler gewesen, in der Panzerfrage allein zu marschieren«. Aber »die größte Gefahr« habe »nicht in einem Vorpreschen Deutschlands« bestanden: »Schließlich heißt der Kanzler Scholz, und seine Partei ist die SPD.« Die »Vaterlandsverteidigung«, für die sich die Sozialdemokraten seit 1914 in die Bresche werfen, ändert nichts am niedrigen Herkommen: Die Kerls sollen gefälligst für Burgfrieden, Ruhe an der Heimatfront sorgen, ansonsten sind sie vom Offiziersstandpunkt einfach nicht k. v. – außer als Kanonenfutter. Kohler wird nachträglich fast übel, bestand doch »die Gefahr eines wachsenden Zerwürfnisses zwischen den Unterstützern der Ukraine«. Unausgesprochen: Schuld war Scholz .
Aber: Der »Gleichschritt mit Washington« war gut, ja »besonders nötig«, »weil Deutschland in der Konfrontation mit einer Macht, die unverhohlen mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, auf den amerikanischen Schutzschirm angewiesen ist«. Mit der Atombombe drohte zwar gleich als erste Annegret Kramp-Karrenbauer im Oktober 2021. Die damalige Kriegsministerin erhob den Erstschlag sogar zum »Kerngedanken der NATO«. Zu dem Zeitpunkt hatte Kohler bereits eine bessere fixe Idee: Lernt endlich eine deutsche Atombombe lieben! Der »amerikanische Schutzschirm« ist eine peinliche Notlösung. Da muss der FAZ-Olympier angesichts des Gewürges um läppische Panzer einen Wutblitz loswerden: »Es hat gedauert.« Nämlich die Amis »ins Boot« zu holen. Das kommt davon, wenn einer keine eigene Bombe hat. Und: »Dabei knirschte es vernehmlich.« Scholz hat sich einfach danebenbenommen.
Beim Kanzler-Abkanzeln wird Kohler nun warm: »Abgenommen zu haben scheint auch die Befürchtung, dass die Lieferung von westlichen Kampfpanzern zu einer Eskalation des Krieges führen könnte. Diese Gefahr wurde nicht allein, aber besonders auch von Scholz als Grund dafür genannt, dass man sich sehr gut überlegen müsse, welche Waffen der Ukraine zur Verfügung gestellt werden.« Wer aber im Krieg sehr gut überlegen will, statt zu feuern … Scholz, du Abgrund von Landesverrat.
Und weiter: »Glatt verstoßen muss die Bundesregierung nun gegen das ebenfalls von ihr selbst aufgestellte Gebot, durch Lieferungen an die Ukraine nicht die eigenen Streitkräfte zu schwächen. Das aber geschieht mit jedem Panzer« für die Ukraine. Andererseits muss der »so schnell wie möglich die kampfkräftigste deutsche Panzerwaffe« geliefert werden, denn wenn sie den Putin nicht aufhält, »werden noch andere dessen heißen Atem im Genick zu spüren bekommen«. Tritt aber so der »Bündnisfall« ein, was muss Scholz dann machen? »Eigene Soldaten schicken.«
Bleibt noch die Heiße-Luft-Frage: »War Scholz Treiber oder Getriebener?« Die Antwort weiß der Wind, nicht Kohler. Nur die unbedarften Sozen flechten schon Kränze: »In der SPD wird schon ein Heldenepos auf den stillen Schmied der Panzerallianz gedichtet.« Olaf, der Berserker. Aber nicht zu früh gefreut, Freundchen: »Die Debatte darüber, mit welchen Waffen die Ukraine noch unterstützt werden soll, wird in jedem Fall weitergehen: Nach dem Leopard ist vor dem Tornado, ob ihn der Kanzler jetzt ausschließt oder nicht.« Kopfnote: Der Scholz hat zwar geliefert, aber die obere Etage ist wenig begeistert. Heißer Atem in Kanzlers Nacken.
Bleibt noch die Heiße-Luft-Frage: »War Scholz Treiber oder Getriebener?« Die Antwort weiß der Wind, nicht Kohler. Nur die unbedarften Sozen flechten schon Kränze: »In der SPD wird schon ein Heldenepos auf den stillen Schmied der Panzerallianz gedichtet.«
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