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Aus: Ausgabe vom 28.01.2023, Seite 1 / Titel
Aufrüstung der Ukraine

Immer mehr Waffen ins Kriegsgebiet: Wer stoppt die NATO?

Panzer abgenickt, Debatte um Kampfjets eröffnet: Forderung, westliches Militärbündnis solle »mutiger« werden
Von Reinhard Lauterbach
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Kaum gibt es grünes Licht für Panzerlieferungen an die Ukraine, verlangt diese Kampfflugzeuge. Was kommt danach?

Kaum hat sich eine NATO-Koalition aus Lieferanten gebrauchter »Leopard«-Panzer an die Ukraine gebildet, rücken auch Kampfjets in den Blick. Die Ukraine fordert deren Lieferung seit langem. Präsident Wolodimir Selenskij sagte in seiner täglichen Videoansprache am Donnerstag abend, die Ukraine brauche »adäquate« Waffen. Die USA erklärten, das Thema werde seit langem »analysiert«. Zu der Frage, ob es konkrete Absichten gebe, äußerten sich offizielle Sprecher in Washington aktuell nicht. Dagegen erklärten die Niederlande und Polen, sie seien zu Flugzeuglieferungen an die ­Ukraine bereit. Auch Frankreich wollte das auf Nachfrage nicht ausschließen. Der Hersteller der »F-16«-Kampfjets aus den USA, Lockheed-Martin, kündigte an, die Produktion der Flugzeuge zu beschleunigen, um Lücken infolge westlicher Lieferungen an die Ukraine schneller füllen zu können. Die Bundesregierung lehnt eine Lieferung von Jets der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt ab.

Tatsächlich wäre die Lieferung von Kampfflugzeugen militärisch eine direkte Konsequenz der beschlossenen Panzerlieferung. Panzerangriffe ohne Deckung aus der Luft gelten als sehr riskant. Polen kündigte unterdessen an, es sei bereit, der Ukraine neben 14 »Leopard«-Panzern auch 60 Exemplare der Eigenentwicklung »PT91« zu liefern. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte in Warschau, die NATO müsse »mutiger« werden.

US-Medien verbreiten unterdessen unter Berufung auf diverse »Sicherheitsexperten« die These, die Bundesregierung habe die Genehmigung für den Panzerexport bewusst so lange verzögert, damit die Maschinen bei der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive noch nicht einsatzbereit seien. Gleichzeitig wies die Washington Post darauf hin, dass die Typenvielfalt der Panzer, die der Ukraine geliefert werden sollen, zu logistischen Schwierigkeiten führen werde. Selbst die »Leopard«-Modelle einzelner Baureihen seien nicht in allen Punkten miteinander kompatibel. So hätten sie verschiedene Feuerleitsysteme und verschössen teilweise unterschiedliche Munition. Die britischen »Challenger«-Panzer seien überhaupt mit keinem der kontinentaleuropäischen Systeme kompatibel. Die russische Regierungszeitung Rossiskaja gazeta hatte am Mittwoch kommentiert, die zahlreichen öffentlich geäußerten Bedenken westlicher Militärs dienten nur dem Zweck, die Öffentlichkeit psychologisch auf die nächste Welle von Waffenlieferungen vorzubereiten. Praktische Bedeutung hätten sie nicht.

Innerhalb der EU drohte Ungarn mit einem Veto gegen Pläne, die antirussischen Sanktionen auch auf die russische Atomindustrie auszudehnen. Entsprechende Forderungen hatte die Ukraine erhoben; Ungarn betreibt ein mit russischer Technologie laufendes AKW und hat einen zweiten Reaktor für denselben Standort bestellt. Außenminister Peter Szijjarto forderte erneut einen raschen Übergang zu Waffenstillstandsverhandlungen. Er begründete das auch damit, dass die Ukraine derzeit verstärkt Angehörige der ungarischen Minderheit in der Karpatenukraine sowie der dort lebenden Roma-Gemeinschaft zum Militär einziehe.

Für neue Unruhe zwischen Berlin und Moskau sorgte unterdessen einmal mehr Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie hatte am Dienstag vor dem Europarat den Westen zu politischer Einigkeit aufgefordert und im Zuge dessen gesagt: »Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.« Auch wenn das Auswärtige Amt die Aussage am Freitag dementierte, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa: Baerbock habe »die Dinge beim Namen« genannt.

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  • Leserbrief von Peter Balluff aus 34516 Vöhl (29. Januar 2023 um 17:18 Uhr)
    Frau Baerbock hat ihre Aussage »wir führen einen Krieg gegen Russland …« sicher mit Bedacht gewählt. Mit »wir« meint sie sicher ihre Parteifreunde und -innen Habeck, Hofreiter, Nouripour, sowie Göring-Eckardt und Lang. Auch die Kriegstreiber und Panzerlieferanten von SPD, FDP und CDU stehen ihr jubelnd zur Seite. Es liegt nun an den Arbeitern und Angestellten, Beamten und Bauern, Frauen und Männern, Jung und Alt auf der Straße kund zu tun, dass es deren Krieg ist und wir für Frieden und Abrüstung eintreten.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. Januar 2023 um 21:49 Uhr)
    Entfesselte »Leoparden«! Die Vorstellung, dass bald »Leopard-2«-Panzer, an denen eben noch das schwarze Kreuz der Bundeswehr prangte, auf dem Schlachtfeld russische Panzer zerstören und russische Soldaten töten, ist historisch so aufgeladen, dass schon der Gedanke daran Überwindung kosten muss. Nicht nur der Kanzler quälte sich bei Waffenentscheidungen, auch weite Teile der Deutschen tun sich schwer damit, dass eine neue Epoche der Geschichte das Bisherige in Frage stellt. So stürzen Träume der Vergangenheit und die tiefe Verunsicherung das heutige Deutschland in eine Identitätskrise, wenn es darum geht, sich in eine neue Rolle als Partner und »Freunde« zu fügen. Die zu erwartende Kampfsaison im Frühjahr könnte sich als entscheidend für die Panzerlieferungen erweisen. Der personelle Vorsprung der Ukraine auf dem Schlachtfeld schwindet, da der Kreml bis 300.000 Soldaten mobilisiert hat und möglicherweise bald noch mehr einberufen wird. Da Russlands Waffenfabriken im Dreischichtbetrieb arbeiten, kann die Ukraine angesichts der schwindenden Waffenvorräte des Westens nicht mit roher Feuerkraft mithalten. Deshalb sind die USA und seine Verbündeten dazu übergegangen, nicht mehr nur stückweise Waffen zu liefern, sondern ganze Panzereinheiten für den Manöverkrieg auszubilden und auszurüsten. Das ursprüngliche Ziel nicht vor Auge zu verlieren: es geht darum, der Ukraine nicht nur zu helfen, den nächsten russischen Vorstoß abzuwehren, sondern auch verlorenes Land zurückzuerobern. Ob diese Weststrategie funktionieren wird, werden wir bald sehen und die Geschichte, die immer vom Sieger geschrieben wird, wird über unsere Entscheidungen urteilen.
  • Leserbrief von Lothar Böling aus Düren (28. Januar 2023 um 16:31 Uhr)
    Durch die gestiegenen Energiepreise zahlen die Verbraucher nicht nur das Doppelte oder Dreifache fürs Gas. Nein, sie bezahlen auch das Doppelte und Dreifache an Steuern. Dies hat dazu geführt, dass die Bundesregierung im Jahr 2022 insgesamt 54 Mrd. Euro mehr an Steuern eingenommen hat. Damit profitieren nicht nur die Energiekonzerne von den Wucherpreisen für Gas und Strom, sondern auch die Regierung. Und diese wiederum verwendet die Steuergelder zur Unterstützung der Ukraine. Damit finanzieren am Ende wieder einmal die Verbraucher die Waffenlieferungen und den völlig sinnlosen Krieg der Ukraine. Und damit das nicht endet, präsentieren uns die Medien täglich Politiker und »Militär-Experten«, die uns für Waffenlieferungen und Krieg in der Ukraine begeistern sollen. Seit einem Jahr schwafeln sie vom Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und phantasieren von der Rückeroberung der Krim. All dieses dumme Gerede, welche Waffen geliefert werden und welche noch nicht, dient nur der Zermürbung der Bevölkerung. Sie soll Zittern und Angst bekommen, vor den Russen, die uns noch nie überfallen haben. Damit soll abgelenkt werden, von den eigenen Zielen, den gierigen Interessen, Russland isolieren und erobern zu wollen, wie schon mehrmals zuvor. Bei aller Hetze gegen Russland, verschweigt man die Tatsache, dass die seit 1999 betriebene NATO-Osterweiterung, das Vorrücken von NATO-Truppen, bis an Russlands Grenze, der wahre Auslöser für den Krieg ist. Bereits 2008 hatte Russland ein Ende der NATO-Osterweiterung gefordert, was abgelehnt wurde. Insbesondere auf den vom Westen finanzierten blutigen Putsch, den Euromaidan in Kiew 2014, den Sturz des gewählten ukrainischen Präsidenten, hatte Russland damals mit der Besetzung der Krim reagiert. Was folgte, waren acht Jahre Bürgerkrieg im Donbass, 1,5 Millionen Flüchtling, 44.000 Verletzte und 14.000 Tote. Und noch heute liefert der Westen Waffen, mit der die Zivilbevölkerung im Donbass von der Ukraine täglich beschossen wird.
  • Leserbrief von Mike Gallrach aus Berlin (28. Januar 2023 um 16:25 Uhr)
    Russland ernst Nehmen! Am Beginn des Krieges hat Herr Putin erklärt, die Truppen der taktischen Triade seien einsatzbereit, jeden Angriff auf die Russische Souveränität zu verteidigen. Der Westen hat daraus abgeleitet, dass Russland mit Atomwaffen droht. Das größte Problem ist, dass unsere Politiker immer hören, was sie wollen. Dabei wäre einfaches Zuhören und Begreifen hilfreich. Russland hat das System »Perimeter« – im Westen »Tote Hand« genannt – hochgefahren. Sollte die Ukraine Langstreckenraketen/Flugzeuge bekommen und diese Raketen wichtige Russische Komponenten treffen, wird die Menschheit ausgelöscht. Was in welcher Reihenfolge und wer wie stirbt, ist dabei zweitrangig. Wie Herr Putin so prosaisch sagte, wenn ihre Raketen angeflogen kommen sind unsere schon in der Luft und was wäre die Menschheit ohne Russland. Wäre es nicht an der Zeit den uns erreichbaren Kriegstreibern in den Arm zu fallen?!
  • Leserbrief von Stephan Krüger aus Neumarkt i.d.OPf. (28. Januar 2023 um 07:39 Uhr)
    Nur eine starke neu- und reorganisierte Friedensbewegung kann die NATO und den weiteren Weg in den dritten Weltkrieg stoppen. Das bedeutet, nicht auf das Wunder sich spontan erhebender Massen warten, sondern wieder Friedensinitiativen aufbauen. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Mobilisierung für die Ostermärsche. In jedem Ort, überall. Ergänzt und gestärkt durch: Künstler für den Frieden, Handwerker für den Frieden … Nach dem Vorbild des Krefelder Appells, eine Plattform, ein Aufruf eines breiten Bündnisses, die vergleichbar immer noch fehlt, benötigen wir einen Aufruf gegen den Krieg, für Frieden und bezahlbare Versorgungssicherheit – Handel mit Russland inklusive Wiederinbetriebnahme von Nord Stream und Druschba. Wie wäre es mit einem Appell, gesprochen und verabschiedet an den Gräbern von 60.000 sowjetischen Toten in Stukenbrock? Dazu ist es nötig, Brücken zwischen Friedensbewegung alt (soweit vorhanden), Teilen den Grundrechtebewegung (Partei, die Basis) sowie Umweltbewegung zu bauen. Nach dem Vorbild der Friedensinitiative der Dessauer Handwerker sind kleines Handwerk und industrieller und handwerklicher Mittelstand, ja auch energieintensive bodenständige Industrien, die nicht Teil des Militärindustriekomplexes sind, als Bündnispartner, als strategische Alliierte zu gewinnen. Der Kasseler Friedensratschlag, das Bremer Friedensforum, das Hamburger Forum stellen viele Signale in die richtige Richtung. Eine bezahlbare Energiewende ist ohne Begleitung durch »billiges« Erdgas unmöglich! Wer ein breites gesellschaftliches Bündnis für den Frieden für unmöglich hält, der hat entweder nicht verstanden, dass es um die Verhinderung eines noch größeren Weltenbrandes bzw. des nuklearen Holocausts geht oder sich bereits mit dem möglichen Grande Finale abgefunden.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude, Russland (28. Januar 2023 um 05:47 Uhr)
    Für Bundeskanzler Scholz trifft zu, was Kurt Tucholsky über den SPD-Reichskanzler Philipp Scheidemann dichtete, es gäbe »keine Seite, nach der er nicht schon umgefallen ist«. Niemand zwang Deutschland 1918, sofort eine Wiederaufrüstung der Reichswehr in die Wege zu leiten, niemand zwingt auch die heutige SPD zu dem Rüstungswahnsinn. Sollte Scholz erpressbar sein, könnte ihm ein anderer SPD-Bundeskanzler folgen. Bei einem klaren Nein zu Panzerlieferungen hätte die Mehrheit der deutschen Bevölkerung bei vorgezogenen Wahlen hinter dieser Partei gestanden. Die Grünen und die FDP müssten es sich zweimal überlegen, ob sie diese Koalition platzen lassen. Das Problem ist eben, dass in Deutschland kein Politiker Bundeskanzler werden oder lange bleiben kann, falls dessen Politik sich nicht zu 100 Prozent den Wünschen der USA beugt, wofür die von den USA über verschiedene Kanäle dominierten Medien sowie ein wirtschaftliches Erpressungspotential sorgen. Das sah man beispielsweise an der kurzen Kanzlerschaft von H. Schmidt oder W. Brandt, die partiell zaghaften Widerstand leisteten. Dieses System spült vor allem Opportunisten wie Adenauer, Kohl, Merkel oder Scholz nach oben. Bereits innerhalb der Parteien schaffen es nur Opportunisten ohne Rückgrat ganz nach oben und das noch bei einem Volk, welches sich willig in jeweils vier Wahlperioden von Kohl oder Merkel einlullen ließ. Man muss es so hart sagen: Deutschland ist seiner Politiker würdig und verdient sie, weil es sie sich gewählt hat. Stoppen könnte man das nur bei einer anderen Mentalität der Bürger wie beispielsweise in Tschechien oder Frankreich.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (30. Januar 2023 um 15:34 Uhr)
      »Niemand zwang Deutschland 1918, sofort eine Wiederaufrüstung der Reichswehr in die Wege zu leiten, niemand zwingt auch die heutige SPD zu dem Rüstungswahnsinn«. Genauso gut könnte man sagen: Niemand zwang den Wolf, das Schaf zu reißen.

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