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Aus: Ausgabe vom 27.01.2023, Seite 15 / Feminismus
Mobilität und Gender

Pionierinnen auf zwei Rädern

Fahrradfahrerinnen in Kenia und Uganda noch selten. Kampf gegen Vorurteile und mangelnde Sicherheit
Von Lorna Likiza, Mombasa
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Auch auf dem ugandischen Land ist es für Frauen wichtig, mit dem Fahrrad mobil zu sein

Beim Radfahren gibt es eine deutliche Kluft zwischen den Geschlechtern – auch in Ostafrika. Während beispielsweise in der mittelgroßen kenianischen Hafenstadt Kisumu der Anteil männlicher Fahrradfahrer bei 96 Prozent liegt, nutzen Frauen das Rad nur für ein Prozent aller Fahrten. Das liegt nicht nur an geschlechtlichen Vorurteilen, sondern auch an dem meist noch prekären Zustand der Wege. Aber es gibt Frauen, die daran etwas ändern wollen.

Irgendwann im Jahr 2018 fuhr die Frauenbeauftragte des Bezirks Nairobi, Esther Passaris, mit dem Fahrrad von ihrem Haus im Kitisuru-Viertel zum Parlament. Damit sorgte sie für Schlagzeilen in Kenia. Um ihrer Botschaft Nachdruck zu verleihen, wählte Passaris einen Samstag, um mit ihrem Fahrrad 15 Kilometer auf einer Hauptverkehrsstraße, der Mombasa Road, zu fahren. Seither postet sie immer wieder Bilder von sich, die sie beim Fahrradfahren zeigen. Ein Jahr später twitterte die ugandische Stadtplanerin und Dozentin an der Makerere-Universität, Amanda Ngabirano, ein Bild von sich in einem Rock, wie sie mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Der Tweet ging viral. Die Verfechterin des Radfahrens in der Hauptstadt Ugandas, Kampala, fährt regelmäßig selbst, um das alternative Verkehrsmittel zu fördern und die Regierung zu ermutigen, bei der Stadtplanung auf Fahrradfahrende Rücksicht zu nehmen.

Ngabirano hat in den Niederlanden studiert, hier entwickelte sie ein starkes Interesse am Fahrrad wegen seiner gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteile. Während die Niederlande und Dänemark das Fahrradfahren als Teil ihrer Kultur angenommen und eine Infrastruktur geschaffen haben, die die Gleichberechtigung im Straßenverkehr sicherstellt, gibt es in vielen Teilen Afrikas immer noch die Ansicht, dass Radfahren eine Fortbewegungsart für arme Leute ist. Darüber hinaus wird es oft als kulturell unangemessen angesehen, wenn erwachsene Frauen mit Kindern Fahrrad fahren. Nach einer unausgesprochenen Regel wird von afrikanischen Mädchen erwartet, dass sie Fahrrad fahren, wenn sie jünger sind, und sie automatisch damit aufhören, wenn sie in die Pubertät kommen und nun im Haushalt mithelfen sollen. In anderen Gesellschaften ist es Mädchen überhaupt nicht erlaubt, Fahrrad zu fahren, in dem Irrglauben, dass dies ihre Jungfräulichkeit zerstöre oder dass es den Jungen vorbehalten sei.

Privatfahrzeuge konkurrieren oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Motorrädern, Tuktuks, Handkarren und Fußgängern um die Vorfahrt – manchmal mit schwerwiegenden Folgen für Radfahrer oder Fußgänger. Schutzkleidung sieht man nur selten. Es ist Ländern südlich der Sahara so gut wie unmöglich, Städte und Gemeinden zu finden, in denen die Sicherheit von Radfahrenden auf den Straßen gewährleistet ist. In Nairobi und Mombasa hat sich dennoch in den vergangenen Jahren eine wachsende Zahl von Radfahrern gefunden, die aus Freizeit- und Gesundheitsgründen fahren und dabei auch auf Sicherheit achten. Es gibt in Nairobi auch eine rein weibliche Motorradgruppe, die zeigen will, dass sie sich von dem abhebt, was in der kenianischen Gesellschaft als Norm für Frauen gilt.

Doch mit der zunehmenden Verstädterung in Kenia und Uganda wird dem Autofahren immer mehr Vorrang eingeräumt. In Uganda hat Ngabirano eng mit dem Bürgermeister von Kampala, Erias Lukwago, zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass bestimmte Bereiche im Stadtzentrum so geplant werden, dass Fußgänger und Fahrradfahrer berücksichtigt werden. Sie ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat einen autofreien Tag in Kampala koordiniert, was in Äthiopien schon häufig praktiziert wurde. Dort gibt es auch den ambitionierten Plan, 200 Kilometer geschützte Radwege bis zum Jahr 2028 zu bauen, um das Ziel eines geschlechterparitätischen Radverkehrsanteils zu erreichen.

In Kenia scheint es dagegen wenig Initiative zu geben, um sicherzustellen, dass die Straßen für alle sicher sind, exklusive Fahrradspuren sind fast unbekannt. Aber immer mehr ostafrikanische Frauen wollen Fahrrad fahren. Angesichts der Gefahr gefährlicher Fahrmanöver und schlechter Stadtplanung in Verbindung mit kulturellen Normen wird es jedoch wohl noch lange dauern, bis sich das durchsetzt. In der Zwischenzeit sind wir stolz auf Frauen wie Esther und Amanda, die sich trauen, Fahrrad zu fahren.

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