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Aus: Ausgabe vom 27.01.2023, Seite 10 / Feuilleton
Materialkunde

Hart und billig: Stahlbeton

Von Marc Hieronimus
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Auch nicht mehr ganz frisch: Die sogenannten weißen Häuser in einem Waldstück zwischen Granzow und Schillersdorf aus den 1940er Jahren

Beton ist alt. Neu ist seine »Bewaffnung« mit Stahllitzen (frz. béton armé, engl. armoured concrete). Wie so vieles ist die Kombination im 19. Jahrhundert erdacht, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg massenhaft verbreitet worden. Stahlbeton ermöglicht manche Konstruktionen, die mit anderen Materialien nicht zu bewerkstelligen sind. Die eigentlichen Gründe für seinen Masseneinsatz sind aber Zeit und Geld: Betonkonstruktionen sind schnell und erst einmal billig. Wenn dann nach 50 Jahren abgerissen wird oder das Gebäude einstürzt wie der Polcevera-Viadukt in Genua, kann es richtig teuer werden.

Und abgerissen wird auf jeden Fall. Buchstäblich kein Betonbauwerk wird unsere Zeit überdauern, anders als Hitler und Speer sich das dachten, als sie von den Ruinen Germanias träumten. Zum Glück, denn wenn einmal Ruinen bleiben, sind sie hässlich. Während Natursteine die langsam gewachsenen Dörfer Italiens oder Südfrankreichs so einzigartig machen und auch beim Einsturz eines Gebäudes ihre Schönheit behalten, indem sie praktisch wieder zur Natur werden, ist der Gleichmacher Beton vom ersten Tag an ein Fremdkörper. Die »weapon of mass construction«, der »flüssige Stein«, die »Konkretisierung abstrakter Arbeit« (Anselm Jappe) zerstört neben den Städten auch die Umwelt. Sechs bis acht Prozent der CO2-Emissionen gehen auf die Zementherstellung zurück. Sand und Kies werden zur Mangelware, ihr landschaftsprägender Abbau schafft neue Probleme wie Grundwassersenkung und Erdrutsche. Stahlbeton, der Baustoff unserer Zeit.

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