junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 25. / 26. März 2023, Nr. 72
Die junge Welt wird von 2701 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 27.01.2023, Seite 7 / Ausland
Krieg in der Ukraine

»Rote Linien« überholt

Russland reagiert auf Panzerbeschluss mit Ankündigung neuer Waffen. Debatte über Wirkmacht westlicher Waffensysteme
Von Reinhard Lauterbach
7.JPG
Nicht weit weg vom Kriegsgebiet: Französische Kampfpanzer bei Manöver in Rumänien (Smardan, 25.1.2023)

Russland hat auf die Ankündigung der Lieferung von »Leopard«-Panzern an die Ukraine mit demonstrativer Gelassenheit ­reagiert. Sie würden »ebenso Feuer fangen« wie andere westliche Waffensysteme, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau. Zuvor hatte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow angekündigt, auch die neuen westlichen Waffensysteme würden die russischen Truppen nicht hindern können, ihre Aufgaben zu erfüllen. Russlands Militär werde diese Waffen »zermahlen«, so Rjabkow. Ein Sprecher des russischen Außenministeriums erklärte parallel zu Rjabkows Äußerungen, mit dem Beschluss sei das Denken in »roten Linien« überholt – was wohl bedeuten soll, dass sich Russland von nun an alle Konsequenzen vorbehält, die es für erforderlich hält.

Eine dieser Konsequenzen nannte der Leiter der russischen Delegation bei den Wiener Gesprächen über militärische Sicherheit und ­Rüstungskontrolle, Konstantin Gawrilow. Das Schweizer Boulevardportal 20min.ch zitierte ihn am Donnerstag mit der Aussage, sollten die an die Ukraine gelieferten »Leopard«- oder »Abrams«-Panzer gehärtete Munition aus abgereichertem Uran verschießen, werde Russland das als Gebrauch sogenannter schmutziger Atombomben einstufen und entsprechend reagieren. Solche Munition wird wegen ihrer extremen Härte insbesondere verwendet, um Panzer zu bekämpfen. Russische Medien verbreiteten andererseits Videos aus dem Syrien-Krieg, auf denen kurdische Kämpfer von der Türkei eingesetzte »Leoparden« mit gewöhnlichen Antipanzerraketen abschossen. Subtext: Die Panzer aus deutscher Produktion seien hochgehypt.

Auf der anderen Seite erkennen russische Fachpublikationen an, dass die westlichen Panzermodelle für die auf russischer Seite eingesetzten Panzer sowjetischen Typs eine Herausforderung darstellten. So wurde speziell mehrfach darauf hingewiesen, dass die »Leopard«-Panzer gegenüber den sowjetischen Modellen eine höhere Chance hätten, Treffer auszuhalten. Denn bei ihnen sei der Munitionsvorrat getrennt von der Mannschaftskabine gelagert, und dessen Explosion könne daher von der Besatzung überlebt werden – anders als bei den sowjetischen Panzern, wo das nicht der Fall sei. Wahrscheinlich aus diesem Grund kündigen russische Politiker und Medien an, die westlichen Panzer würden mit allerhand neuartigen Waffen ausgeschaltet werden. Genannt werden ein gerade erst serienreif gewordener Kampfroboter sowie Drohnen und Marschflugkörper. Die militärfachliche Seite topwar.ru kommentierte, nun werde es notwendig werden, nach der Energieinfrastruktur der Ukraine ihr Verkehrsnetz zu bombardieren, damit die Panzerlieferungen erst gar nicht an die Front gelangten. Unter dem Strich ergibt sich aus diesen Veröffentlichungen die Schlussfolgerung, dass Russland die westlichen Panzer eher asymmetrisch als im direkten Duell auszuschalten bestrebt sein wird.

Zur Lage an der Front räumte der ukrainische Präsident Wolodimir ­Selenskij erstmals ein, dass die russische Armee im Osten des Landes »vorankomme«. Russische Militärkorrespondenten berichteten, dass die beiden Verbindungsstraßen in die Stadt Wuhledar südwestlich von Donezk inzwischen von russischen Truppen unterbrochen bzw. bedroht seien. Russland sei dabei, den Ort westlich zu umgehen. Die Ukraine bestätigte diese Darstellung ebensowenig wie Meldungen, wonach russische Truppen im Bezirk Saporischschja langsam, aber stetig nach Norden vorstießen. Die betreffende Gegend gilt als einer der erwarteten Ausgangspunkte für eine ukrainische Frühjahrsoffensive, bei der die westlichen Panzer eingesetzt werden sollen.

Drei Wochen kostenlos lesen

Wir sollten uns mal kennenlernen: Die Tageszeitung junge Welt berichtet anders als die meisten Medien. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.

Testen Sie jetzt die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. Januar 2023 um 11:12 Uhr)
    Baerbock schießt aus der Hüfte. »Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.« Mit dieser auf Englisch formulierte Aussage sorgte die Außenministerin Plaudertasche Baerbock am Dienstag in Straßburg für große Aufregung, wo sie eine Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats hielt. Hat die deutsche Außenministerin mal eben und so ganz nebenbei Russland den Krieg erklären wollen? Baerbock schießt aus der Hüfte, obwohl sie nur Platzpatrone hat. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, forderte am Freitag eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu dieser »widersprüchliche« Aussage.

Ähnliche:

  • Vorhang auf oder Vorhang zu? Vergangenheit oder Zukunft? Friedli...
    30.12.2022

    Der erste Schritt

    Die Gründung der UdSSR am 30. Dezember 1922 brachte etwas Neues in die Welt: Den Anfang vom Ende des kolonialen Zeitalters. Der Westen hat noch immer Angst vor dem Sowjetstaat
  • Kurz vor dem Ende. Einmarsch von Truppen der Fernöstlichen Repub...
    17.11.2022

    Staat auf Zeit

    Vor 100 Jahren trat die Fernöstliche Republik der Russischen SFSR bei. Damit endete ein sibirisches und pazifisches Unikum
  • Aufeinander zugehen. Im Zuge westlicher Konfrontationspolitik si...
    16.11.2022

    Dialog mit der Weltmehrheit

    Der internationale Diskussionsklub Waldai versammelte in Moskau vorwiegend neutrale Teilnehmer. Themen waren der Niedergang der US-Hegemonie und die Folgen des Krieges in der Ukraine für Russland

Mehr aus: Ausland

Drei Wochen lang gratis gedruckte junge Welt lesen: Das Probeabo endet automatisch, muss nicht abbestellt werden.