»Rote Linien« überholt
Von Reinhard Lauterbach
Russland hat auf die Ankündigung der Lieferung von »Leopard«-Panzern an die Ukraine mit demonstrativer Gelassenheit reagiert. Sie würden »ebenso Feuer fangen« wie andere westliche Waffensysteme, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau. Zuvor hatte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow angekündigt, auch die neuen westlichen Waffensysteme würden die russischen Truppen nicht hindern können, ihre Aufgaben zu erfüllen. Russlands Militär werde diese Waffen »zermahlen«, so Rjabkow. Ein Sprecher des russischen Außenministeriums erklärte parallel zu Rjabkows Äußerungen, mit dem Beschluss sei das Denken in »roten Linien« überholt – was wohl bedeuten soll, dass sich Russland von nun an alle Konsequenzen vorbehält, die es für erforderlich hält.
Eine dieser Konsequenzen nannte der Leiter der russischen Delegation bei den Wiener Gesprächen über militärische Sicherheit und Rüstungskontrolle, Konstantin Gawrilow. Das Schweizer Boulevardportal 20min.ch zitierte ihn am Donnerstag mit der Aussage, sollten die an die Ukraine gelieferten »Leopard«- oder »Abrams«-Panzer gehärtete Munition aus abgereichertem Uran verschießen, werde Russland das als Gebrauch sogenannter schmutziger Atombomben einstufen und entsprechend reagieren. Solche Munition wird wegen ihrer extremen Härte insbesondere verwendet, um Panzer zu bekämpfen. Russische Medien verbreiteten andererseits Videos aus dem Syrien-Krieg, auf denen kurdische Kämpfer von der Türkei eingesetzte »Leoparden« mit gewöhnlichen Antipanzerraketen abschossen. Subtext: Die Panzer aus deutscher Produktion seien hochgehypt.
Auf der anderen Seite erkennen russische Fachpublikationen an, dass die westlichen Panzermodelle für die auf russischer Seite eingesetzten Panzer sowjetischen Typs eine Herausforderung darstellten. So wurde speziell mehrfach darauf hingewiesen, dass die »Leopard«-Panzer gegenüber den sowjetischen Modellen eine höhere Chance hätten, Treffer auszuhalten. Denn bei ihnen sei der Munitionsvorrat getrennt von der Mannschaftskabine gelagert, und dessen Explosion könne daher von der Besatzung überlebt werden – anders als bei den sowjetischen Panzern, wo das nicht der Fall sei. Wahrscheinlich aus diesem Grund kündigen russische Politiker und Medien an, die westlichen Panzer würden mit allerhand neuartigen Waffen ausgeschaltet werden. Genannt werden ein gerade erst serienreif gewordener Kampfroboter sowie Drohnen und Marschflugkörper. Die militärfachliche Seite topwar.ru kommentierte, nun werde es notwendig werden, nach der Energieinfrastruktur der Ukraine ihr Verkehrsnetz zu bombardieren, damit die Panzerlieferungen erst gar nicht an die Front gelangten. Unter dem Strich ergibt sich aus diesen Veröffentlichungen die Schlussfolgerung, dass Russland die westlichen Panzer eher asymmetrisch als im direkten Duell auszuschalten bestrebt sein wird.
Zur Lage an der Front räumte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij erstmals ein, dass die russische Armee im Osten des Landes »vorankomme«. Russische Militärkorrespondenten berichteten, dass die beiden Verbindungsstraßen in die Stadt Wuhledar südwestlich von Donezk inzwischen von russischen Truppen unterbrochen bzw. bedroht seien. Russland sei dabei, den Ort westlich zu umgehen. Die Ukraine bestätigte diese Darstellung ebensowenig wie Meldungen, wonach russische Truppen im Bezirk Saporischschja langsam, aber stetig nach Norden vorstießen. Die betreffende Gegend gilt als einer der erwarteten Ausgangspunkte für eine ukrainische Frühjahrsoffensive, bei der die westlichen Panzer eingesetzt werden sollen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. Januar 2023 um 11:12 Uhr)Baerbock schießt aus der Hüfte. »Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.« Mit dieser auf Englisch formulierte Aussage sorgte die Außenministerin Plaudertasche Baerbock am Dienstag in Straßburg für große Aufregung, wo sie eine Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats hielt. Hat die deutsche Außenministerin mal eben und so ganz nebenbei Russland den Krieg erklären wollen? Baerbock schießt aus der Hüfte, obwohl sie nur Platzpatrone hat. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, forderte am Freitag eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu dieser »widersprüchliche« Aussage.
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