»Leoparden« zu Ostern
Von Marc Bebenroth
NATO-Claqueure haben Grund zur Vorfreude: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat am Donnerstag auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt ein Lieferdatum für die 14 Kampfpanzer vom Typ »Leopard 2A6« verkündet. Möglichst zum Ende des ersten Quartals sollen sie in der Ukraine einrollen und bis »Ende März oder Anfang April« dort einsatzbereit sein. Die Bundesregierung will Kiews Truppen in die Lage versetzen, »erfolgreich« gegen die russischen Truppen zu kämpfen, erklärte der Minister. Die geplante Panzerlieferung dürfte ihm zufolge »rechtzeitig« zu einer möglichen russischen Frühjahrsoffensive erfolgen.
Die Entscheidung der Bundesregierung verteidigte SPD-Parteichef Lars Klingbeil am Donnerstag im Deutschlandfunk gegen die Kritik vehementer Aufrüstungsbefürworter, der Beschluss hätte viel früher gefällt werden sollen. Dabei betonte der Bundeswehr-Lobbyist Klingbeil, dass man im Kanzleramt gemeinsame Lieferzusagen mit den NATO-Verbündeten anstrebe, damit die BRD nicht alleine in der Kritik Russlands steht.
Er gehe außerdem derzeit nicht von einer atomaren Bedrohung durch Russland aus. Doch bereits die »Leopard«-Entscheidung mache Menschen Angst, wandte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Donnerstag gegenüber dem MDR ein. Dabei kritisierte er, dass der Entschluss die bisherige Weigerung aushöhle, schwere Waffen zu liefern. Kretschmer betonte erneut die Notwendigkeit diplomatischer Bemühungen.
Die Militärhilfe für die Ukraine reiße laut Pistorius »im Zweifel da Löcher, wo schon Defizite sind«. Deshalb brauche es beschleunigte Beschaffungsverfahren und gegebenenfalls »mehr Produktionsressourcen in Deutschland und in Europa«. Die »Mengenfrage« in Sachen Kriegsmunition solle bereits in der nächsten Woche bei ersten Gesprächen mit der Rüstungsindustrie erörtert werden. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament dachte einen Schritt weiter: Es brauche »eine Art Kriegswirtschaft in der EU«, stellte Manfred Weber (CSU) gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben) klar.
Ob die Ausweitung der Waffenlieferungen bei Kampfpanzern endet, bleibt offen. Zwar erklärte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Donnerstag im SWR2-»Tagesgespräch«, dass es Kampfflugzeuge oder Langstreckenraketen für die Ukraine nicht geben werde. Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in seiner Regierungserklärung am Mittwoch die »rote Linie« bei Kampfjets gesehen. Doch bislang hat sich Kiews Beharrlichkeit als erfolgreich erwiesen.
Entsprechend hatte noch am Mittwoch abend Präsident Wolodimir Selenskij die Lieferung dieser Waffengattungen gefordert. Der frühere Botschafter der Ukraine in der BRD und jetzige Vizeaußenminister, Andrij Melnyk, setzte noch einen drauf. Auf Twitter hatte der sich am Dienstag zunächst Kampfjets der Typen »F- 6 & F-35, Eurofighter & Tornado, Rafale & Gripen« gewünscht, um in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit N-TV zu sagen: »Wir bräuchten Kriegsschiffe, damit die Küste geschützt werden kann. Wir bräuchten auch U-Boote.« Die Eigentümer der Werften in der BRD dürften sich über entsprechende Aufträge sicher freuen.
Zur Frage, ob bzw. zu welchem Anteil die Bundesrepublik Kriegspartei ist, hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag in Strasbourg zwar Klartext geredet. »Wir führen einen Krieg gegen Russland«, hatte sie während der Fragerunde nach ihrer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats erklärt. Doch zu der Äußerung schwieg sich die Bundesregierung bislang aus. Der Chef vom Dienst des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, Sebastian Feldmeier, bedankte sich am Donnerstag vormittag gegenüber junge Welt für eine Anfrage dazu, bat aber darum, sich direkt an die Pressestelle des Auswärtigen Amtes zu wenden. Dieses ließ eine gleichlautende Anfrage bis Redaktionsschluss am Donnerstag unbeantwortet.
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Leserbrief von B. Schroeder aus Apen (27. Januar 2023 um 14:06 Uhr)Der »Pandora-Papers«-Kasper Selenskij und … »erste Schlächter seines Volkes« fordert nach Panzern, nun weitere Waffen. Da haben wir noch »F-16«-Kampfflugzeuge, U-Boote, Kriegsschiffe jeglicher Art, Lang- und Mittelstreckenraketen und als Bon-Bon, die Atombombe aus US-Amerikanischer Provenienz … Das lässt die Herzen eines jeden Faschisten und Nazis höher schlagen. Ich frage mich nur, warum höre ich nichts von Strack-Zimmermann ? Hat sie die »Hilferufe« ihres Freundes nicht gehört ? (…)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (27. Januar 2023 um 14:02 Uhr)Frau Baerbock hat – als handele sich um eine Kleinigkeit – Russland ganz nebenbei den Krieg erklärt. Da es sich dabei nicht um eine Aussage einer schwäbischen Hausfrau am Küchentisch handelte, sondern um eine der amtierenden Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland: Wenn Sie nur noch einen Funken von Selbstachtung haben, Herr Bundeskanzler, feuern Sie diese Frau sofort! Größeres Unheil können Sie von ihr ohnehin nicht mehr erwarten. Und Vernünftiges für unser Land leisten, das kann sie sowieso nicht.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. Januar 2023 um 13:41 Uhr)»Leoparden« als Osterei! So wie im Christentum das Ei zum Symbol für die Auferstehung Jesu Christi wurde, so will der gläubige Westen die »Leoparden« als Symbol für die Auferstehung der Ukraine sicherstellen. Wird, wer daran glaubt, auch noch selig? Diese Versprechung fehlt noch in der NATO-Strategie!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (27. Januar 2023 um 07:45 Uhr)Selenskji und der Pöbeldiplomat Melnyk sind wie kleinere Kinder. Sie trampeln und zetern bis sie ein neues Spielzeug bekommen. Und wenn sie es haben, kommt sofort die nächstgrößere Forderung. Jetzt also Kampfjets und Langstreckenraketen. Vor allem die Langstreckenraketen werfen die Frage auf – wozu? Verteidigung kann es nicht sein und ist es auch nicht. Raketen mit einer Reichweite von mehreren tausend Kilometern sollen den Krieg in die strategische Tiefe des Gegners tragen. Der ukrainische Generalstab hat in den letzten Tagen die Zerstörung von Städten wie St. Petersburg und Moskau nicht ausgeschlossen. Wir müssen endlich wach werden! Und die Gegner von Waffenlieferungen sind eben keine Putin-Versteher (oder -Knechte), sondern Realisten. Wir wollen diese Eskalationsspirale durchbrechen. Den Rüstungslobbyisten wie Strack-Zimmermann muss in den Arm gefallen werden. Bundeswehrverbandschef Wüstner fordert in der ARD von Montag die Umstellung von Teilen der deutschen Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft. Welche Teile meint er? Den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Krieg hat bereits Karl Liebknecht in diversen Schriften nachgewiesen. Das heißt – es hilft nur noch eines: ein grundlegender Systemwechsel. Die grundlegenden Industrien wie die Grundstoffindustrie (Stahl und andere Metalle) bis hin zur Energieerzeugung, Transportwesen, Gesundheitsvorsorge, Nahrungsmittelversorgung gehören in gesellschaftliche Hand. Dann können wir als Bürger auch das kontrollieren, was dort passiert. Dass der Markt es schon regeln werde – das glaubt nach den Erlebnissen der letzten Monate eigentlich nur noch der, der sich die Hosen auch mit der Kneifzange anzieht. Aber das scheinen immer noch zu viele zu sein. Die ersten Worte der Internationale: »Wacht auf, Verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt …« Und: »Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!«
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (26. Januar 2023 um 20:15 Uhr)Während sich EU-NATO-Europa mit unerbittlichem Fanatismus und geradezu masochistischem Eifer zunehmend selbst zerstört, kassieren die USA nun die üppige politische Rendite ihrer jahrzehntelangen Zersetzungspolitik auf dem eurasischen Doppelkontinent. Dabei ging von Europa doch einst die Aufklärung aus und mit ihr so viel Hoffnung in die Kraft der Vernunft. Aber bekanntlich kämpfen gegen Dummheit sogar Götter vergebens. Und wem ganz offensichtlich so wenig an seiner eigenen Kultur liegt, der hat dann wohl auch nichts anderes verdient als den Untergang.
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