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Aus: Ausgabe vom 26.01.2023, Seite 7 / Ausland
Expräsidenten und geheime Akten

Der Ton wird sanfter

Geheime Dokumente auch bei ehemaligem US-Vize Pence gefunden. Politischer Streit entschärft sich
Von Felix Bartels
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Michael Pence während des Kapitol-Sturms (6.1.2021)

Nichts macht die Leute misstrauischer als ein Politiker mit weißer Weste. Vielleicht deswegen holen sich zur Stunde die möglichen Kandidaten für die US-Präsidentschaft brav ihre Flecken ab: erst Donald Trump, dann Joseph Biden und nun Michael Pence, bei dem ebenfalls als geheim eingestufte Regierungsdokumente aus seiner Amtszeit im Weißen Haus (2017–2021) gefunden wurden. Kollateraler Effekt des Ganzen: Da die beiden großen Parteien somit angreifbar geworden sind, fährt man die Lautstärke allgemein etwas runter. Pack verträgt sich nicht, Pack schlägt sich nicht.

Fundort war die im Bundesstaat Indiana gelegene private Villa des ehemaligen Vizepräsidenten Pence, wie zahlreiche US-Medien am Dienstag (Ortszeit) übereinstimmend berichteten. Dabei soll es sich dem TV-Sender CNN zufolge um ein gutes Dutzend Schriftstücke handeln. Anwälte des Politikers hatten sie gefunden und sogleich der Bundespolizei übergeben.

Der Fall wird in der US-amerikanischen Öffentlichkeit naturgemäß mit den Vorgängen um Joseph Biden in Beziehung gesetzt, in dessen privaten Räumen ebenfalls vertrauliche Unterlagen aus seiner Zeit als Vize aufgetaucht waren. Die Affäre hat die Demokraten in den zurückliegenden Wochen vor allem wegen der schleppenden, regelrecht verzögernden Kommunikationspolitik unter Druck gesetzt. Informationen zu den Biden-Akten sind von der Regierung scheibchenweise herausgegeben worden und immer nur so weit, als Medien bereits darüber berichtet hatten. Die Affäre um Biden wird gegenwärtig sowohl vom Justizministerium als auch von einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses untersucht, in dem die republikanische Opposition seit Anfang des Jahres die Mehrheit hält.

Der Vorsitzende des Ausschusses, der Republikaner James Comer, zeigte sich am Dienstag zwar bemüht, den Fund bei Pence vom Fall Biden abzugrenzen. Die Transparenz, die Pence an den Tag gelegt habe, stehe in »krassem Gegensatz« zum Verhalten des Weißen Hauses, das dem US-Kongress und dem US-amerikanischen Volk weiterhin Informationen vorenthalte, schrieb Comer in einer Stellungnahme. Es ist allerdings davon auszugehen, dass es Bidens politischen Gegnern seit dem Fund der Pence-Akten schwerer fallen dürfte, den amtierenden Präsidenten anzugreifen. Jeder Angriff auf Biden würde auch Pence beschädigen.

Zwischen den Fällen gibt es deutliche Parallelen. Sowohl Biden als auch Pence sollen umstandslos mit den Behörden kooperiert haben, soweit es die Rückgabe der Dokumente betrifft. Ebenfalls geben beide an, nicht gewusst zu haben, dass die Akten sich in ihren privaten Räumlichkeiten befanden. Die Frage eines Reporters, ob er Geheimunter­lagen aus dem Weißen Haus mitgenommen habe, hatte Pence im vergangenen Jahr noch ausdrücklich verneint. Dass solche Akten nunmehr bei ihm auftauchten, ist eine unmittelbare Folge der Biden-Affäre. Nach dem Bekanntwerden der Biden-Funde hatte Pence sein Haus in Carmel von Anwälten durchsuchen lassen. Die Akten seien gegen Ende der Amtszeit »versehentlich eingepackt und in das private Anwesen des ehemaligen Vizepräsidenten gebracht worden«, schrieb Pences Anwalt in einem Brief an das Nationalarchiv, das für die Aufbewahrung von alten Regierungsdokumenten zuständig ist.

Der seit dem »Kapitol-Sturm« vom 6. Januar 2021 mit Pence verfeindete Donald Trump scheint gute Gründe zu haben, seinen wahrscheinlichen Konkurrenten um die Position des republikanischen Präsidentschaftskandidaten nicht anzugreifen. Auch er hat sich durch die Mitnahme von geheimen Dokumenten nach Ende seiner Amtszeit angreifbar gemacht. Folglich stärkte er Pence am Dienstag demonstrativ den Rücken. Sein ehemaliger Vize sei unschuldig, und man solle ihn in Ruhe lassen, erklärte Trump auf der sozialen Plattform Truth Social. Der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham (Republikanische ­Partei) weitete den republikanischen Burgfrieden sogar zum Grabenfrieden zwischen Republikanern und Demokraten aus. Er glaube nicht, dass Pence oder Trump oder Biden »böse Absichten« gehabt hätten, twitterte Graham am Dienstag.

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