»Limit ist erreicht«
Von Bernd Müller
Am Flughafen BER stand am Mittwoch alles still: Wegen eines Warnstreiks starteten und landeten keine Passagiermaschinen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste, der Flughafengesellschaft und der Luftsicherheit zum Ausstand aufgerufen, um den Druck auf die Gegenseite in den laufenden Tarifverhandlungen zu erhöhen.
Die Streikenden wurden zum Willy-Brandt-Platz vor dem Terminalgebäude gerufen. Dort fand am Vormittag eine Kundgebung statt, an der nach Angaben von Verdi rund 1.800 Streikende teilnahmen. Sie machten deutlich: Sie sind entschlossen, ihre Forderungen durchzusetzen und bereit, erneut die Arbeit niederzulegen. »Wir erwarten ein gutes Angebot, sonst machen wir hier weiter«, sagte Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne Feldkötter vor den Beschäftigten. Immer wieder war aus der Menge zu hören: »Arbeit muss sich lohnen«.
Dass die Gewerkschaft bereit ist, den Arbeitskampf auszuweiten, hatte Enrico Rümker, Verhandlungsführer für das Bodenpersonal, bereits am Montag in einer Mitteilung erklärt. »Ob es weitere Streiks geben wird, hängt davon ab, was am Verhandlungstisch passiert und ob es ein Umdenken bei den Arbeitgebern gibt«, sagte er.
Der Warnstreik war schon vor Beginn ein Erfolg: Bereits eine Stunde, nachdem er am Montag per Pressemitteilung angekündigt worden war, teilte der Flughafenbetreiber mit, dass am Mittwoch voraussichtlich kein Flugverkehr am BER stattfinden könne. Betroffen waren knapp 300 Flüge mit rund 35.000 Passagieren. Sollten aus Sicht der Gewerkschaft jedoch weitere Streiks notwendig werden, könnte der wirtschaftliche Schaden für den Flughafen größer ausfallen: Der Mittwoch sei nicht der verkehrsreichste Tag der Woche, so Rümker.
Verdi will für die Beschäftigten der Flughafengesellschaft und der Bodenverkehrsdienste 500 Euro mehr Lohn im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten durchsetzen. Die Kapitalseite pocht dagegen auf deutlich längere Vertragslaufzeiten. Zudem ist die Flughafengesellschaft aktuell nicht bereit, ihren Beschäftigten die geforderte Lohnerhöhung zu gewähren. Statt dessen bot sie eine stufenweise Erhöhung plus einen Inflationsausgleich von 2.000 Euro für Vollzeitbeschäftigte an. Dieses Angebot sei »in Struktur, Höhe und Laufzeit inakzeptabel, unzureichend und enttäuschend«, urteilte die Tarifkommission.
Den Beschäftigten gehe es nicht nur um höhere Löhne, sondern auch um bessere Arbeitsbedingungen. »Bei vielen Beschäftigten ist das Limit erreicht«, betonte Rümker. Die Belastung sei enorm, weil viel Personal fehle. Eine Mitschuld an der Situation gab er den Fluggesellschaften, die Tickets zu Billigpreisen verkauften. Den Kostendruck gäben sie dann an die Dienstleister an den Flughäfen weiter.
Die Vertreter der Kapitalseite zeigten sich bislang wenig einsichtig. »Einen eintägigen Streik als Warnstreik zu bezeichnen, ist schon ungewöhnlich«, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Medienberichten zufolge. Die Hauptstadt sei durch den Ausstand im Luftverkehr von der Außenwelt abgeschnitten.
Auch Vertreter des Flughafenverbandes ADV wetterten: Der Warnstreik sei unverhältnismäßig und entbehre jeder akzeptablen Grundlage. »Statt die unterschiedlichen Tarifvorstellungen an einem gemeinsamen Verhandlungstisch auszutragen, wird der Hauptstadtflughafen als öffentlichkeitswirksame Bühne missbraucht«, schimpfte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.
Die nächsten Verhandlungsrunden finden in den kommenden Wochen statt, für die Bodenverkehrsdienste am 30. Januar und für die Flughafengesellschaft am 8. Februar. Ob es vor dem Februartermin zu weiteren Streikaktionen kommt, bleibt abzuwarten. Rümpke versicherte aber, dass es während der Winterferien in Berlin und Brandenburg (30. Januar bis 3. Februar) keine weiteren Streiks geben werde.
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