Auch ein »Leopard« kommt nur bis Stalingrad
Von Arnold Schölzel
In einer Pressemitteilung des Bundeskanzleramts erklärte die Bundesregierung am Mittwoch vormittag, sie werde der Ukraine »in einem ersten Schritt eine Kompanie mit 14 Leopard-2-A6-Panzern zur Verfügung stellen, die aus Beständen der Bundeswehr stammen«. Ziel sei es, mit »Leopard 2« aus Partnerländern rasch zwei Panzerbataillone zusammenzustellen. Die entsprechenden Genehmigungen zur Weitergabe sollen erteilt werden. Nach Berechnungen verschiedener Medien werden bis zu 100 »Leopard« geliefert. In einer Fragestunde des Bundestages erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), neben den Kampfpanzern erhalte Kiew auch weiter Luftabwehrsysteme und andere Waffen. Die Panzer werde die Bundesregierung finanzieren. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte zuvor angekündigt, die ersten »Leopard« aus deutschen Beständen könnten in etwa drei Monaten in der Ukraine sein. Die Lieferentscheidung nannte er »historisch«, weil dies abgestimmt passiere.
Nach Angaben von US-Medien wollen die USA der Ukraine zudem rund 30 schwere Panzer des Typs »M1 Abrams« zur Verfügung stellen. Für Mittwoch 18 Uhr MEZ – nach jW-Redaktionsschluss – wurde dazu eine Erklärung von US-Präsident Joseph Biden erwartet. Laut Washington Post dürfte es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis die »Abrams«-Panzer zum Einsatz kommen. Zugleich stellte die Zeitung unter Berufung auf US-Außenminister Antony Blinken dessen Überlegungen für den Nachkrieg vor: Die Ukraine müsse nicht in die NATO aufgenommen werden, benötige aber massive Waffenhilfe.
Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte sich am Mittwoch nicht zum deutschen Vorgehen. Bei einem Besuch der Staatsuniversität in Moskau bemerkte er lediglich, strenggenommen sei Deutschland immer noch von den USA besetzt. Sein Pressesprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Panzerlieferungen als militärisch nutzlos, aber politisch höchst gefährlich und erklärte: »Diese Panzer werden brennen wie alle übrigen.« Der Plan, schwere Panzer an die Ukraine zu liefern, um deren Kampfkraft zu stärken, sei zum Scheitern verurteilt: »Das ist eine klare Überschätzung des Potentials, das sie den ukrainischen Streitkräften zusätzlich geben.« Moskau sehe sich durch die Entwicklung in seinem Vorgehen gegen die Ukraine bestätigt, meinte er mit Blick auf ukrainische Drohungen, Städte wie Moskau oder Sankt Petersburg in Russland anzugreifen. Der russische Botschafter in Berlin, Sergej J. Netschajew, bezeichnete die Lieferentscheidung als »extrem gefährlich«. Die Bundesrepublik und ihre Verbündeten suchten keine diplomatische Lösung, sondern strebten eine »dauerhafte Eskalation« an. Netschajew fuhr fort: »Mit der Genehmigung der deutschen Regierung werden wieder einmal Panzer mit deutschen Kreuzen an die ›Ostfront‹ geschickt, was unweigerlich zum Tod von russischen Soldaten, aber auch von Zivilisten führen wird.«
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) nannte die Lieferentscheidung in einer Pressemitteilung eine »historische Fehlentscheidung«. Sie bereite »den Weg, Deutschland direkt ins Feuer gegen Russland zu schicken«. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte im Bundestag Deeskalation und eine Friedensinitiative. Er wies darauf hin, dass in Ostdeutschland nur weniger als ein Drittel der Bevölkerung für Panzerlieferungen sei.
Die Aktien des an der »Leopard«-Produktion beteiligten Rheinmetall-Konzerns legten am Mittwoch um knapp drei Prozent zu und erreichten ein Rekordhoch, seine Titel sind seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine um 170 Prozent gestiegen.
Drei Wochen kostenlos lesen
Wir sollten uns mal kennenlernen: Die Tageszeitung junge Welt berichtet anders als die meisten Medien. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.
Testen Sie jetzt die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- Armin Weigel/dpa14.01.2023
Neuer Anlauf gegen Moskau
- Markus Schreiber/AP Photo/dpa24.11.2022
Reden und Schweigen
- Fabian Bimmer/REUTERS28.09.2021
Skepsis überwiegt
Ohne eine Umkehr zur Vernunft und Verhandlungen kann es bald heißen: »Vamos a la playa«. Der Song ist aus dem Jahre 1983, als die Grünen (»Keine Macht für niemanden«) erstmals in den Bundestag einzogen … https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2013/42884746_kw09_wahlen_1983_kalenderblatt-210888 PEACE!
* 30. Januar 1933: Adolf Hitler wird zum Reichskanzler ernannt … 1. Februar 1933: Auflösung des Reichstages durch Reichspräsident von Hindenburg … 3. Februar 1933: Hitler verkündet vor Generälen der Reichswehr die »Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung« (https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_der_nationalsozialistischen_Machtergreifung)