»Für Wirtschaftseliten ist China das größere Thema«
Interview: Fabian Linder
Das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos, auch WEF abgekürzt, ging am Freitag zu Ende. Was bleibt von diesem Treffen führender Kapitalvertreter?
Dessen Bedeutung schwindet. Immer deutlicher zeigt sich, dass diese Versammlung der Managerelite keine Lösung für die großen gesellschaftlichen Probleme bringt. Die Teilnehmer interessiert nur, wie im Rahmen der neuen Gegebenheiten ihre Profite gesichert werden können.
Welche Themen standen im Vordergrund?
Da ist die Frage der Transformation von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren. Kapitalanlegern geht es hier auch um Profitsicherung. Deren Ideal ist die Public-Private-Partnership: So sollen private Investitionen staatlich abgesichert werden. Das betrifft unter anderem den globalen Süden, wo mit Investitionen geworben wird und Garantien für Profite eingefordert werden.
Auch Rohstoffe sind ein wichtiges Thema. Statt den Ausbau der Industrie in geschlossene Kreisläufe zu forcieren, kämpft man um die letzten Lagerstätten. Insbesondere Afrika steht hier wieder einmal als Ausbeutungsziel auf der Agenda. Die Neuentstehung von Wirtschaftsblöcken ist darüber hinaus ein Punkt. Russland ist für die globale Managerelite abgehakt. Thema ist vor allem China und die Frage, wie es im südostasiatischen Raum und mit dem dortigen wirtschaftlichen Potential weitergeht. Das betrifft auch die Frage demographischer Veränderungen. Sowohl in der entwickelten Welt als auch in China macht sich der Anteil älterer Menschen bemerkbar. Dahinter zeigt sich eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, für die diese Managereliten keine Ideen parat haben.
Ein Fokus soll auf Klimaschutz liegen, während Konzerne wie RWE Partner des Forums sind. Was heißt das am Ende für Klimaschutz und die Klimagerechtigkeitsbewegung?
Wir leben in einer Welt, die geprägt ist von sozialen Medien, Schlagzeilen und Aufregung, aus denen sich Meinungen bilden. Das ist der falsche Weg. Man muss genau hinschauen, welche Politik gemacht wird. Wird an einer Stelle in Erklärungen ein Verzicht festgelegt, um hundert Seiten später mögliche Öffnungsklauseln für Konzerne zu vereinbaren, die mit der Überschrift nicht vereinbar sind? Daher muss immer konkret geprüft und Widerstand geleistet werden, wo gegen die Ziele einer nachhaltigen Wirtschaft gehandelt wird. Mit Schlagzeilen allein kommen wir nicht weiter.
Waren die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine Thema?
Es war in Davos kein großes. Von den Managereliten wird akzeptiert, wie der Westen reagiert hat. Hinsichtlich der Wirtschaftsleistung spielt Russland keine zentrale Rolle mehr. Die Verschiebung der russischen Energielieferketten nach Westeuropa in Richtung Indien und China sowie die Suche Westeuropas nach Ersatz ist im Gange und daher abgehakt. Für globale Wirtschaftseliten ist das größere Thema, wie sich China positioniert.
Vor dem WEF hatte ATTAC den Energiegipfel des Handelsblattes in Berlin kritisiert. Was fordern Sie, um die jetzigen Krisen etwa im Energiebereich zu lösen?
Ziel der Politik war es in den letzten Monaten, neue fossile Energiequellen zu erschließen und über einen Preiswettbewerb alle, die dabei nicht mithalten konnten, auszustechen, um die eigene Versorgung zu sichern. Wir fordern die Loslösung von den fossilen Energieträgern und statt dessen verstärkt in regenerative Energien zu investieren, um das Volumen zu vergrößern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Bei den fossilen ist der Preis vornehmlich durch den Rohstoff bestimmt. Bei den regenerativen braucht es große Investition in die Anlagen, also langfristige Preisgarantien, um die Investitionen abzusichern sowie dadurch langfristig stabile und niedrige Energiekosten zu ermöglichen.
Alfred Eibl ist Mitglied des Koordinierungskreises des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC
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