»Dann macht der Staat, was er will«
Von Gabriel Kuhn
Immer wieder tauchen in samischen Medien Berichte darüber auf, dass die Rentierhaltung durch die militärische Präsenz in Sápmi gestört wird. Das betrifft auch Ihre lokale Gemeinschaft, Ihr Sameby Laevas, das im Gebiet der Stadt Kiruna liegt. Sie selbst haben sich dazu immer wieder öffentlich geäußert. Was ist das Problem?
Zum einen haben wir im Gebiet unseres Samebys einen großen Truppenübungsplatz, Kalixfors, der vor allen für Winterübungen verwendet wird. Während dieser Übungen wird das Gelände abgeriegelt, auch uns wird der Zugang verwehrt, oft wochenlang. Wir müssen dann unsere Rentiere einsammeln und die Herden aus dem Gebiet herausführen. Das bedeutet nicht nur viel Arbeit, es setzt die Rentiere auch hohen Belastungen aus. Vor allem aber gibt es keine alternativen Weideplätze, auf die wir sie führen können, weil unser Gebiet an die Gebiete anderer Rentierhalter angrenzt. Das Ganze wird also zu einem Futterproblem, eine schwierige Situation. Dazu kommen die zahlreichen Militärflüge im Bereich des Bergs Kebnekaise, die auch außerhalb des Truppenübungsplatzes durchgeführt werden. Die Helikopter schrecken die Rentierherden auf, die deshalb ihre Weidegebiete verlassen. Wir dürfen sie dann wieder zurückholen.
Anscheinend hilft das Militär manchmal dabei. Stehen Sie im Dialog mit den Verantwortlichen?
Nun ja. Manchmal scheucht das Militär die Tiere mit den Helikoptern wieder zurück. Man kann das Hilfe nennen. Einen Dialog gibt es, aber der entspricht dem Dialog der Sámi mit dem schwedischen Staat im allgemeinen: Wir dürfen unsere Bedenken vortragen, dann macht der Staat, was er will. Das Militär präsentiert immer fertige Pläne, und wenn wir diese in Frage stellen, macht das kaum einen Unterschied. Aber es gibt auch Erfolge. In Norwegen gelang es den Rentierhaltern der Vereinigung Gielas, nördlich von Narvik, eine große NATO-Übung im Jahr 2022 zu stoppen.
Wer führt auf dem Truppenübungsplatz Kalixfors Manöver durch? Sind das nur schwedische Militärs?
Nein. Aber genaue Informationen erhalten wir selten. Man verweist immer auf sicherheitspolitische Interessen und hält vieles geheim. Aber schon lange vor dem schwedischen Ansuchen um NATO-Mitgliedschaft haben auch NATO-Truppen hier Übungen durchgeführt. Militärverbände vieler Länder kommen gern hierher, hier gibt es wenigstens noch richtigen Winter.
Wird es im Falle einer NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands zu noch mehr Militärübungen in Sápmi kommen?
Davon müssen wir ausgehen.
Niila Inga ist Vorsitzender der Vereinigung samischer Rentierhalter im Gebiet der Stadt Kiruna in Nordschweden
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