Für mehr Souveränität
Von Carmela Negrete
Brasilien und Argentinien streben eine gemeinsame Währung an. Das kündigten die Präsidenten Luis Inácio Lula da Silva und Alberto Fernández in einem Artikel für die argentinische Tageszeitung Perfil an, den diese Sonnabend nacht online veröffentlicht hatte. An den »Sur« (spanisch für Süden – über diesen Namen wird spekuliert) sollen sich künftig auch andere Länder in der Region anschließen können. Mit dem Ziel, die Abhängigkeit zum US-Dollar zu reduzieren und den regionalen Handel zu fördern, wollen beide Regierungschefs ein altes Projekt, das schon mehrfach in der Region diskutiert worden ist, nun mit Leben füllen.
Der argentinische Finanzminister Sergio Massa erklärte dazu am Sonntag gegenüber der Tageszeitung Financial Times, dass die Arbeiten dafür angefangen hätten, Erwartungen auf schnelle Ergebnisse wolle er aber nicht schüren. »Es ist der erste Schritt eines langen Weges, den Lateinamerika gehen muss«, sagte er und erinnerte daran, dass die Planung des Euro mehrere Jahrzehnte gebraucht habe. Bei einem gemeinsamen Treffen am Sonntag erklärten Lula und Fernández, dass das Vorhaben Kosten senken sowie externe Schwachstellen der Wirtschaften ihrer Länder reduzieren solle.
Der Politikprofessor Juan Carlos Monedero, Mitbegründer von Podemos, ordnete das gemeinsame Vorhaben am Montag gegenüber jW ein und erinnerte an das Ende der internationalen Währungsordnung Bretton Woods: Nachdem Frankreich sämtliche Währungsreserven, die das Land in US-Dollar besaß, in Gold hatte tauschen lassen, erklärte der US-amerikanische Präsident 1971 einseitig die Unkonvertierbarkeit von US-Dollar in Gold. »Seitdem sind die Dollar lediglich Papiere, die eine hegemoniale Stellung in der lateinamerikanischen Wirtschaft erreicht haben.«
Monedero, der die venezolanische Regierung von Hugo Chávez in den 2000er Jahren unter anderem zu einer solchen gemeinsamen Währung beriet, erinnerte dabei an »extreme Fälle in Lateinamerika, wie Ecuador, wo die Wirtschaft direkt in Dollar funktioniert«. Dabei sei Ecuador ein Land, das weder eine Landesgrenze »noch tiefere Beziehungen mit den Vereinigten Staaten, wie etwa Puerto Rico«, habe. »Diese Dollarisierung der Wirtschaft bedeutet einen Verlust von wirtschaftlicher Souveränität«, so Monedero.
In den vergangenen Dekaden wurden mehrere Initiativen ins Leben gerufen, die Lateinamerika als Block verstanden, darunter die Unasur, die CELAC sowie Telesur. »Insbesondere störte die Vereinigten Staaten von Anfang an aber die Idee eines gemeinsamen Verteidigungsbündnisses und einer gemeinsamen Währung«, die laut Monedero deshalb nicht angegangen wurde. »Wir haben damals angefangen, an einer gemeinsamen Währung namens ›Petro‹ zu arbeiten – nach dem Vorbild der Europäischen Union –, die eine gemeinsame fiskalpolitische Basis beinhaltete und vor allem die Abhängigkeit Lateinamerikas vom Internationalen Währungsfonds lösen sollte.« Eine gemeinsame Währung könnte deshalb zu mehr Souveränität in der Region führen. »Damals war es nicht möglich, aber mit der Wiederwahl von Lula hat man jetzt offenbar verstanden, wie nötig ein solcher Schritt ist«.
An diesem Dienstag soll der Vorschlag auf dem Treffen der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), die Brasilien unter Bolsonaro zeitweise verlassen hatte, debattiert werden. Wenn beide Länder, die für die größten Wirtschaftsräume des südamerikanischen Kontinents stehen, die gemeinsame Währung auf die Beine stellen, soll diese für eine Einführungszeit zunächst parallel zu den aktuellen Währungen im Umlauf sein. Im Dezember hatten Ecuador, Bolivien, Kolumbien, Venezuela, Argentinien sowie Peru die Absichtserklärung unterschrieben, eine gemeinsame Währung in der Region zu verfolgen.
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