Symbol für Palästina
Von Ron Augustin
Maher Junis, einer der am längsten inhaftierten palästinensischen Gefangenen, ist am Donnerstag nach 40 Jahren Haft aus dem Ohalei-Keidar-Gefängnis im Süden Israels entlassen worden. Sein Cousin Karim Junis, seit 2017 Mitglied des Zentralkomitees von Al-Fatah, war nach ebenfalls 40 Jahren schon vor zwei Wochen freigekommen. Anfang der 1980er Jahre waren beide für den Tod eines israelischen Soldaten auf den syrischen Golanhöhen verantwortlich gemacht worden. Zunächst wurden sie zum Tode verurteilt, dann wandelte man ihre Strafen in 40 Jahre Haft um. In der Knesset und den Medien Israels läuft zur Zeit eine Hetzkampagne, um ihnen die israelische Staatsangehörigkeit abzuerkennen und sie so in die nach 1967 besetzten Gebiete abschieben zu können.
Wie schon zuvor bei anderen politischen Gefangenen fand die Entlassung unter größter Geheimhaltung statt, um Feierlichkeiten und Demonstrationen zu vermeiden. Die Zurschaustellung der palästinensischen Fahne wurde von der neuen Regierung Benjamin Netanjahus kurzweg zu einem »Akt des Terrorismus« erklärt. Entsprechend einer Anordnung des Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, wurde Junis zuerst an einen anderen Ort verlegt und dann in der Nacht an einer Bushaltestelle abgesetzt. Gleichzeitig wurde das Haus der Familie Junis im Dorf Ara im Norden Israels von der Polizei gestürmt, um palästinensische Fahnen und Transparente zu beschlagnahmen. Der Familie wurden dabei Strafen angedroht, falls sie Feierlichkeiten für die Entlassung organisieren würde. Trotz der Polizeisperren im ganzen Dorf fanden diese statt.
Heute befinden sich etwa 4.700 Palästinenser in israelischen Gefängnissen, die von der Menschenrechtsorganisation Addameer als politische Gefangene definiert werden, also in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit der israelischen Besatzungspolitik inhaftiert sind und nicht wegen sonstiger Straftaten. Etwa 130 von ihnen sitzen seit mehr als 25 Jahren ein, einige schon fast 40 Jahre lang wie Nael Al-Barghuthi, Mohammed Al-Tus, Walid Dakka, Ruschdi Abu Mukh, Ibrahim Abu Mukh und Ibrahim Bajadasa. Außerdem weigern sich die israelischen Behörden, die Körper von 359 erschossenen Demonstranten und verstorbenen Gefangenen an ihre Familien auszuhändigen, entweder weil die Gesamtstrafe des Gefangenen noch nicht beendet sei oder um Zugeständnisse zu erpressen. Wie ein Dokumentarfilm von Ahmed Frassini aus dem Jahr 2022 gezeigt hat, werden die Leichname in Tiefkühltruhen und kodierten, aber namenlosen Gräbern aufbewahrt.
Eine der ersten Maßnahmen des am 29. Dezember vereidigten neuen Kabinetts von Premierminister Netanjahu war, von Knesset-Abgeordneten geplante Besuche von palästinensischen Gefangenen abzusagen. Denn es solle verhindert werden, so der Vorsitzende des Koalitionspartners »Jüdische Stärke« und Sicherheitsminister Ben-Gvir, »dass die Haftbedingungen von palästinensischen Gefangenen verbessert werden«. Auch kündigte er an, sich in der Knesset für die Einführung der Todesstrafe für palästinensische Gefangene einzusetzen, die Israelis getötet haben.
Am 9. Januar wurden 70 Langzeitgefangene, darunter der Fatah-Politiker Marwan Barghuthi, vom Hadarim-Gefängnis im Norden Israels in neugebaute Hochsicherheitstrakte des Nafha-Gefängnisses in der südlichen Negev-Wüste überführt, wo die meisten von ihnen seitdem in Totalisolation gehalten werden. Die Gefangenen haben angekündigt, »passiven Widerstand« zu leisten, wenn die Haftbedingungen nicht generell gelockert werden. Wenn sich in den kommenden zwei Monaten nichts ändert, werden sie in einen unbefristeten Hungerstreik treten. Karim Junis zufolge betrachtet der palästinensische Widerstand den Kampf der politischen Gefangenen in Israel als »einen der Hauptpfeiler des Kampfes: Jede Geschichte von Gefangenen ist die Geschichte eines Volkes.«
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