Der »Pfaff« vom Rhein
Von Bernhard Krebs, Köln
Kirche und Militär bilden in Deutschland seit jeher eine besonders unangenehme Melange. Eine Kostprobe bot am Donnerstag der »Internationale Soldatengottesdienst« im Kölner Dom unter der Leitung von Kardinal Rainer Maria Woelki. »Selig, die Frieden stiften«, zitierte der Kardinal aus dem Matthäus-Evangelium und wähnte, dass die Soldatinnen und Soldaten an dieser Botschaft »in besonderer Weise« teilhätten.
»Sie tragen durch ihren Dienst in einzigartiger Weise mit Sorge um den Frieden in der Welt«, sagte Woelki weiter. Kein Soldat wolle Krieg, im Zweifelsfall sei dieser »jedoch nötig, um durch Verteidigung die Bedingung der Möglichkeit für Frieden zu schaffen«. Wenn es zum Krieg käme, spürten die Angehörigen des Militärs die Folgen »kriegerischer Auseinandersetzungen« zuerst. Gerade das Leben von Soldaten würde im Krieg »auf dramatische Weise berührt«. Und wofür? Natürlich »für den Frieden, für die Freiheit unserer Nation, für ein freies Europa, für eine gerechte Welt in Sicherheit mit lebenswürdigen Bedingungen«. Mit traumwandlerischer Sicherheit marschierte Woelki den herrschenden Meinungskorridor entlang, ohne auch nur zivile Kriegsopfer zu erwähnen. Den »furchtbaren und verabscheuungswürdigen Angriffskrieg Russlands« auf die Ukraine verurteilte der Kirchenfürst ebenfalls pflichtschuldig. »In dem Augenblick, in dem der Fanatiker – ganz gleich welcher Religion – der Obrigkeit zum Munde redet, wird er ein Pfaff«, hatte Kurt Tucholsky 1918 in einem Brief geschrieben. Die Probe aufs Exempel hat Woelki am Donnerstag mit Bravour bestanden.
»Soziale Ungleichheit, Ungerechtigkeit aller Art, Armut, Katastrophen und der Kampf um Ressourcen – all das fördert Unruhen und am Ende Krieg«: Es wirkte, als fielen für Woelki »Kriegsgründe« vom Himmel, statt Ergebnis genau jener herrschenden Politik zu sein, die auch die Bundeswehr in alle möglichen Winkel dieser Erde schickt.
Woelki hätte es besser wissen können, wenn er nur der kleinen Gruppe Friedensaktivisten vor dem Dom zugehört hätte. Dort waren laut Kölner Stadtanzeiger »rund 20 Demonstrierende« einem Aufruf des Kölner Friedensforums gefolgt. Motto: »Mit Gottes Segen in den Kugelregen?« Im Kundgebungsaufruf hieß es: »Wer Soldaten segnet, erleichtert deren Gewissen.« Kritisiert wurden auch die »100 Milliarden Euro Sonderschulden zum Zweck der weiteren Aufrüstung«, von der »insbesondere die Rüstungskonzerne« profitierten. Demgegenüber würden arme Menschen Opfer einer »kalten Enteignung«. In Hinblick auf den »Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und der Russischen Föderation« forderte das »Kölner Friedensforum« einen »sofortigen Waffenstillstand, Stopp jeglicher Waffenlieferungen und die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel eines Systems der gemeinsamen Sicherheit in Europa«.
An dem Gottesdienst nahmen Hunderte Soldaten aus mehreren Ländern teil. Eine jW-Anfrage an das Militärdekanat der Bundeswehr, wie viele Soldaten aus welchen Ländern im Dom waren, blieb bis Freitag nachmittag unbeantwortet.
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Es dürfte schwer bis unmöglich sein, der Bevölkerung mehrheitlich überzeugend, klarzumachen, mit welchem Selbstverständnis, Schamlosigkeit, Verlogenheit bis zu ekelerregender Wandlung uns pazifistisch, christlich, demokratisch, freiheitlich, moralisch von Menschenrecht erfüllte Regierende, PolitikerInnen in diesen Tagen nach mehr und mehr Krieg schreien, nach mehr und mehr Panzern, Tod und Vernichtung, mit Hass, Hass und nochmals Hass den Feind besiegen wollen. Waffen retten Leben, erdreisten sie sich uns weiszumachen.
Die Älteren kennen solche Argumente noch zu den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki. Ältere kennen und wissen um die Geschichte zweier Weltkriege, mit welchen Lügen sie begannen und geführt wurden, wie sie endeten und wer auf der Anklagebank saß. Es sind nicht die Christen und Pazifisten, die ich kenne und bis heute sehr schätze als Freunde, nicht als Kriegstreiber. Es hat weder Pazifistisches noch Christliches an sich, nichts Moralisches oder menschliche Werte, wenn sie verlogen von Angriffskrieg, »Putins Krieg«, nach Vökerrrecht und hasserfüllt nach Systemwechsel in Russland und China schreien, mehr und mehr Krieg fordern, ohne nach Frieden zu streben, jede Verhandlung dazu bewusst verhindert haben. Die Masken fallen, Wahrheiten werden mit jedem Tag Krieg sichtbarer, trotz aller beidseitigen Lügenberichte zum Verlauf des Krieges. Können die Wahrheiten unser Volk noch zu Verstand, Vernunft und Friedensfähigkeit bringen? Kann dem dritten Weltkrieg noch Einhalt geboten werden? Die Mehrheit in Deutschland, Russland, Ukraine und anderswo will keinen Krieg. Das ist eine Binsenwahrheit. Sie werden wieder in Krieg getrieben – mit Lügen und Hass, wieder findet sich die Institution Kirche und segnet die Krieger. Wer verhindert einen Weg zum Frieden? Wer schlägt jede Friedenslösung aus?