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Aus: Ausgabe vom 20.01.2023, Seite 2 / Ausland
EU-Grenzregime

Versteckte Gefängnisse

Asylsuchende auf Fähren von Italien nach Griechenland zurückgezwungen
Von Ina Sembdner
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Klare Machtverhältnisse: Seenotretter und Flüchtlingsboot mit Frontex-Patrouille im Hintergrund (Lesbos, 28.2.2020)

Für den designierten Chef der EU-Abschottungsbehörde Frontex gehören »Grenzschutz und die Menschenrechte« zusammen. Das erklärte der niederländische Generalleutnant Hans Leijtens bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel am Donnerstag. Leijtens tritt sein neues Amt am Fron­tex-Sitz in Warschau am 1. März an. Er steht bisher der niederländischen Militärpolizei vor und ist dort auch für den »Schutz« der Landesgrenzen zuständig. Sein Vorgänger Fabrice Leggeri war wegen publik gewordener Verfehlungen und Menschenrechtsverstöße unter seiner Führung zum Rücktritt gezwungen. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte bei dem gemeinsamen Auftritt mit Leijtens, Frontex müsse auch dazu beitragen, Leben zu retten, etwa im Mittelmeer. Seit Jahresbeginn seien bereits 30 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt ums Leben gekommen. Im vergangenen Jahr überlebten nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) insgesamt mindestens 2.011 Menschen den Versuch, in die EU zu gelangen, nicht oder gelten als vermisst.

Andere werden gegen ihren Willen von Italien zurück nach Griechenland verbracht – und offenbar systematisch auf Mittelmeerfähren in engen Metallschächten und anderen dunklen Räumen während der Überfahrt gefangengehalten. Das legen Recherchen des ARD-Politikmagazins »Monitor« nahe, die am Donnerstag veröffentlicht wurden. Erstmals sei es gemeinsam mit anderen Medien gelungen, die Existenz der provisorischen Gefängnisse auf den Passagierschiffen nachzuweisen. Darunter sei auch ein Fall, bei dem mindestens ein Flüchtling mit Handschellen festgekettet worden sei. Betroffene gaben unter anderem an, dass Asylsuchende teilweise ohne ausreichende Verpflegung oder Zugang zur Toilette auf dem Weg zurück nach Griechenland festgehalten würden.

Die Recherchen zeigten eine »ganz klar menschenunwürdige Unterbringung« der Flüchtlinge, so Dana Schmalz vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Dies verstoße sowohl gegen EU-Recht als auch gegen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das zuständige Fährunternehmen bestreitet auf Anfrage jegliche Vorwürfe. Etwas Derartiges würde auf keiner der Fähren vorkommen, man halte sich stets an nationales und internationales Recht.

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