Kosovo-Armee vor Südamerika
Von Volker Hermsdorf
Es weckt neue Befürchtungen über den zunehmenden Einfluss der NATO in Lateinamerika: Am Freitag landete eine Truppe der Kosovo Security Force (KSF) auf dem britischen NATO-Stützpunkt Mount Pleasant auf der knapp 400 Kilometer vor der argentinischen Küste gelegenen Malwinen-Inselgruppe (»Falklandinseln«). Eine erste, »aus sieben bis neun Personen bestehende KSF-Gruppe« sei zu einer gemeinsamen »Friedenserhaltungsmission« mit den britischen Streitkräften auf den Malwinen eingetroffen, berichtete das Nachrichtenportal Kosovo online.
Die argentinische Regierung hatte bereits im Dezember formalen Protest gegen die Ankündigung von Militärübungen und die Präsenz von Truppen aus Drittländern auf der Inselgruppe eingelegt. Die Malwinen seien »ein vom Vereinigten Königreich unrechtmäßig besetztes argentinisches Gebiet« und die Anwesenheit von KSF-Militärs »eine ungerechtfertigte Machtdemonstration und die bewusste Missachtung von Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen und anderer internationaler Gremien, in denen sowohl Argentinien als auch das Vereinigte Königreich aufgefordert werden, eine friedliche Lösung des Souveränitätsstreits zwischen beiden Ländern zu finden«, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums vom 1. Dezember 2022. Die Regierung in Buenos Aires verwies unter anderem auf eine Resolution der UN-Vollversammlung aus dem Jahr 1976, in der beide Konfliktparteien aufgefordert werden, »von einseitigen Entscheidungen, die Einfluss auf den Status quo der Inseln nehmen würden, Abstand zu nehmen«.
Großbritannien hatte seine Herrschaft über die seit 1833 besetzten, knapp 13.000 Kilometer von London entfernten Inseln, die über reiche Fischbestände und zahlreiche Mineralien sowie große Mengen an Öl und Gas am Meeresgrund verfügen, 1982 mit Unterstützung der USA im sogenannten Falklandkrieg behauptet. Über den Protest gegen die Missachtung der UN-Resolutionen hinaus lehne Argentinien auch die Bezeichnung als »Friedensmission« für die »fragliche militärische Aktivität« kategorisch ab, da diese Formulierung »völlig ungerechtfertigt ist«, hieß es in der Protestnote. Das Außenministerium verwies ferner darauf, »dass die Argentinische Republik die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Parlaments des Kosovo vom 17. Februar 2008 nicht anerkennt«.
Auch Serbien betrachtet die Anwesenheit von Militärs aus dem Kosovo auf den Malwinen mit Skepsis. Die »Republik Kosovo« wird laut Belgrad nur noch von 83 der 193 UN-Mitgliedsländer anerkannt, während Pristina angibt, dass 115 Staaten die Unabhängigkeit des Landes anerkannt hätten.
»Derzeit gibt es einen weiteren Versuch, den Status eines Territoriums zu erhalten, das in der Lage ist, sich an internationalen Militärmissionen zu beteiligen«, interpretierte der serbische Autor Marinko Ucur den Vorgang am Dienstag in einem Beitrag des russischen Nachrichtenportals RT. Da dies unter UN-Flagge nicht machbar sei, »nahm Pristina das großzügige Angebot Londons an und entsandte eine symbolische Anzahl von Soldaten auf die Malwinen. Obwohl ihre Rolle in einer potentiell konfliktreichen Situation, wie der argentinisch–britischen, nicht klar ist, ist es offensichtlich, dass sie versuchen werden, sie für die Förderung ihrer Unabhängigkeit sowie für die Ausbildung ihrer Truppen zu nutzen«, folgerte Ucur. Die Soldaten aus dem Kosovo »präsentieren sich dem Westen als mögliches neues Kanonenfutter für dessen imperiale Herrschaftsambitionen«, kommentierte der serbische Journalist.
Das argentinische Onlineportal Agenda Malvinas hatte bereits am 2. Dezember davor gewarnt, dass »insbesondere die Entsendung kosovarischer Militärs in den Südatlantik gegen die Resolution 31/49 der UN-Generalversammlung« verstoße. Das Portal verwies darauf, »dass die NATO und ihre Mitgliedsländer nach dem Kosovo-Krieg die militärische, politische und wirtschaftliche Kontrolle über die Region übernommen haben«. Deshalb seien es NATO-Länder, »die in diesem Fall beschlossen haben, Soldaten aus dem Kosovo auf die Malwinen zu schicken«.
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