Reinemachen in Hanoi
Von Gerhard Feldbauer
Der vietnamesische Staatspräsident Nguyen Xuan Phuc hat am Montag seinen Hut genommen, wie die staatliche Nachrichtenagentur VNA am Dienstag mitteilte. Grund sei ein Korruptionsskandal während der Coronapandemie. Vorangegangen war der Rücktritt hochrangiger Regierungsvertreter. Unter ihnen befinden sich mit dem früheren Außenminister Pham Binh Minh und dem für den Kampf gegen das Coronavirus zuständigen Vu Duc Dam zwei stellvertretende Ministerpräsidenten. Gegen weitere 29 Personen werde ermittelt.
Der Präsident selbst sei nicht in die Korruptionsfälle verwickelt, habe aber die Verantwortung übernommen, da sie in seine Zeit als Ministerpräsident zurückreichen. Da er zugleich Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) war, habe die KP-Führung über sein Rücktrittsgesuch entscheiden müssen und zugestimmt. Er werde in den Ruhestand gehen. KPV-Generalsekretär Nguyen Phu Trong, der erste Mann in der Führungsriege des Landes, habe die Ermittlungen zur Chefsache erklärt.
Die beschuldigten Politiker sollen während der Pandemie nach der Schließung der Grenzen gegen Bestechungsgelder Plätze bei Rückführungsflügen nach Vietnam vergeben haben. Weitere Vorwürfe betreffen den Vertrieb von Covid-19-Testkits »Viet A« zu überhöhten Preisen. Die Tests wurden von einer Privatfirma mit staatlicher Unterstützung produziert, wofür das Unternehmen Bestechungsgelder an Staatsvertreter gezahlt hat. 1,7 Billionen vietnamesische Dong (etwa 70 Millionen US-Dollar) wurden in diesem Zusammenhang beschlagnahmt, bezüglich der Flugtickets seien umgerechnet zehn Millionen Dollar sichergestellt worden. Bei den Ermittlungen wurden Transaktionskonten und Bankeinlagenbücher eingefroren sowie Vermögenswerte konfisziert.
Im sozialistischen Vietnam waren derartige Delikte kaum bekannt. Erst seit der Kooperation mit dem internationalen Kapital wird das Land von ihnen heimgesucht. So haben die USA in Vietnam mehrere 100 Milliarden Dollar investiert und beschäftigen dort etwa eine halbe Million Arbeitskräfte. Der letzte große Korruptionsfall betraf 2016 den Chef des staatlichen Erdölkonzerns, Trinh Xuan Thanh, der über 100 Millionen Dollar unterschlagen hatte. Die jetzigen Fälle hätten zwar kein vergleichbares Ausmaß. Aber es sei beschämend, dass auch hochrangige Parteifunktionäre und -mitglieder wegen Bestechung zur Verantwortung gezogen werden müssten, schrieb das Auslandsmagazin Courrier du Vietnam. Als mildernder Umstand sei aber zu berücksichtigen, dass die Täter ihr Fehlverhalten eingestanden und ihre kriminellen Nebeneinnahmen den Behörden übergeben hätten.
Nguyen Xuan Phuc war im April 2021 zum Präsidenten gewählt worden, der zusammen mit dem Premierminister und dem KPV-Generalsekretär Nguyen Phu Trong die Führungsriege bildet. Vorher war er fünf Jahre lang Ministerpräsident. 1978 hatte er die Nationale Wirtschaftsuniversität in Hanoi mit einem Bachelor of Economics abgeschlossen, 1996 absolvierte er ein Studium in Wirtschaftsmanagement an der National University of Singapur. Der gebürtige Südvietnamese hatte mit seiner Familie am Befreiungskampf im Süden teilgenommen, seine Mutter und seine Schwester wurden vom US-Militär getötet. Das Parteiblatt Nhan Dan würdigt seine Verdienste um die Wirtschaft, die heute hohe Wachstumsraten erzielt. Unter anderem leitete er die Ausarbeitung der für die Zusammenarbeit mit internationalen Wirtschaftsinstitutionen wie dem IWF erforderlichen Reformen. Nguyen Xuan Phu bleibe bis zur Wahl eines Nachfolgers durch die Nationalversammlung im Amt.
Der französischen Nachrichtenagentur AFP zufolge wird spekuliert, dass mit Nguyen Xuan Phu ein möglicher Nachfolger im Amt des KPV-Generalsekretärs ausgeschaltet werde. Die Neubesetzung dieses Postens steht allerdings erst 2026 bevor.
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