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Aus: Ausgabe vom 18.01.2023, Seite 4 / Inland
Milliardengrab Militär

Bund kaufte »Katze im Sack«

Auftrag zum Bau von Spionageschiffen trotz Warnung des Rechnungshofes vergeben
Von Kristian Stemmler
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Eingang des Bundesministeriums der Verteidigung (Berlin, 1.3.2018)

Auch schon vor der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Februar 2022 verkündeten »Zeitenwende« kam es bei der Bundeswehr auf eine Milliarde mehr oder weniger offenbar nicht an. Das legt jedenfalls der Vorgang nahe, der durch Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) ans Licht kam. Trotz einer deutlichen Warnung des Bundesrechnungshofs hat der Bund im Sommer 2021 einen Zwei-Milliarden-Auftrag für drei Spionageschiffe – Kriegsschiffe mit Abhöranlagen, Radaren und ähnlicher Spionagetechnik – an ein Bremer Rüstungsunternehmen vergeben. Jetzt drohe eine Kostenexplosion, heißt es in einem Beitrag des Rechercheverbunds auf tagesschau.de vom Montag.

Beim Blick auf den Vertrag hatten die Kontrolleure des Rechnungshofs den Recherchen zufolge »erhebliche Bedenken« geäußert. Die Vertragskonstruktion mit der Bremer Werft Naval-Vessels-Lürssen (NVL) sei so aufgesetzt, dass erst nach Vertragsschluss eine »Bauspezifikation« erarbeitet werden solle. Das heißt: Erst nachdem der Auftrag schon erteilt worden war, sollte mit der Werft erarbeitet werden, wie die Schiffe konkret gebaut werden sollen. Der Bundesrechnungshof befürchtete damals »mittelfristig zusätzliche Ausgaben«.

Der SPD-Haushaltspolitiker An­dreas Schwarz warnte jetzt, dass die zwei Milliarden Euro nicht ausreichen dürften. Es kämen »klare Signale« aus dem Verteidigungsministerium, dass »die kalkulierten Festpreise, entgegen den Erklärungen der Vergangenheit, nicht auskömmlich sind und ein finanzieller Nachschlag in einem bestimmt dreistelligen Millionenbereich benötigt wird«, sagte Schwarz. Die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, Haushaltspolitikerin der Partei Die Linke, kritisierte, der Bund habe die »Katze im Sack« gekauft. Nach Informationen von WDR, NDR und SZ hat der Bund inzwischen Stefan Krüger von der TU Hamburg beauftragt, eine Spezifikation mit auszuarbeiten. Ob das nun konkret geplante Schiff im Kostenplan bleibt, erscheine mindestens fragwürdig.

Das Verteidigungsministerium rechtfertigte die Vorgehensweise als einen »innovativen Ansatz«. Der Bund erarbeite gemeinsam mit dem Auftragnehmer die Bauspezifikation. »Damit soll in diesem Beschaffungsprozess sowohl die Qualität der Bauspezifikation als auch die Erstellungsdauer deutlich verbessert werden.« Man sei nach wie vor »von diesem zielführenden Ansatz überzeugt«. Dem Auftrag zufolge sollen die Kriegsschiffe ab 2026 bis 2028 in See stechen.

Bei dem Projekt kritisierten die Rechnungshofprüfer nach den Recherchen von WDR, NDR und SZ außerdem einen fehlenden Wettbewerb bei der Vergabe. Demnach war der Auftrag weder europaweit noch national ausgeschrieben. Der Bundesrechnungshof kritisierte demnach, die Bundeswehr habe über die Auftragsvergabe entschieden »mit dem Ergebnis, dass kein Wettbewerb stattfand«.

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