Streikrecht verteidigen
Von Dieter Reinisch
Die Streikwelle in Großbritannien rollt ungebrochen weiter. Am Dienstag kündigte die Lokführergewerkschaft ASLEF nach dem Scheitern von Verhandlungen neue Arbeitsniederlegungen für 1. und 3. Februar an. Am Vorabend hatten ASLEF-Mitglieder mit Tausenden vor dem Sitz der Regierung in London gegen das »Antistreikgesetz« protestiert. Zu den Rednern zählten der Chef der Eisenbahnergewerkschaft RMT, Michael Lynch, weitere linke Labour-Abgeordnete wie Zarah Sultana und der ehemalige Vorsitzende Jeremy Corbyn (derzeit fraktionslos), aber auch der Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP) im Unterhaus, Stephen Flynn. Vor der Bühne wurden unter anderem Banner der Beamtengewerkschaft PCS geschwenkt, die am 1. Februar streiken wird.
Vor der Kundgebung, zu der auch Vertreter der Kampagne »Genug ist genug« aufgerufen hatte, teilten Lehrergewerkschaften mit, dass ihnen eindeutige Streikmandate ausgestellt wurden. Ab dem 1. Februar werden in England und Wales 450.000 Mitglieder der Lehrergewerkschaft NEU sieben Tage in den Ausstand treten. In Schottland haben die Lehrerstreiks schon in der vergangenen Woche begonnen.
Jo Grady, Generalsekretärin der Universitätsgewerkschaft UCU, die 18 Streiktage ab Februar organisiert, sagte, trotz der Kälte werde es ihr »warm«, wenn sie daran denke, wie eindeutig ihre Lehrerkollegen für einen Streik gestimmt hätten.
Im Unterhaus wurde der Entwurf des »Antistreikgesetzes« am Montag abend mit einer Mehrheit von 60 Stimmen (309 zu 249) in zweiter Lesung verabschiedet. Das Gesetz tritt erst nach der dritten Lesung in Kraft. Vorab hatte der parlamentarische Regelungsausschuss RPC kritisiert, dass die Regierung die Prüfung der Auswirkungen unterlassen habe. Die Veröffentlichung solcher Ergebnisse ist üblich. Vermutlich hat sich die Regierung in diesem Fall dagegen entschieden. Eine Prüfung des ersten Antistreikgesetzentwurfs kam im Oktober zu dem Schluss, dass es dadurch nicht zu weniger, sondern zu mehr kleineren Streiks kommen werde.
Arbeitsrechtsexperte Ewan McGaughey vom King’s College London schrieb in einem Beitrag für die London School of Economics am Montag, dass der vorgelegte Gesetzentwurf internationales Recht breche. Er bezeichnete es als ein »ein Lohnkürzungs- und Arbeitszwangsgesetz«.
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