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Aus: Ausgabe vom 13.01.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Nahostkonflikt

Israels Rechte zündelt

Neuer »Sicherheitsminister« Ben-Gvir provoziert Palästinenser mit Auftritt auf Jerusalemer »Tempelberg«
Von Knut Mellenthin
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Revier abstecken: Vertreter der israelischen extremen Rechten besuchen den Jerusalemer »Tempelberg« (3.1.2023)

Nur wenige Tage nach der Vereidigung der neuen israelischen Regierung tauchte deren Sicherheits- und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir am 3. Januar auf dem großen Platz vor der Al-Aksa-Moschee auf, um demonstrativ sein Revier zu markieren. Nach offiziellen Angaben dauerte der Auftritt des Chefs der ultrarechten Partei Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) nicht einmal eine Viertelstunde. Für eine verächtliche und feindselige Geste gegenüber den Palästinensern reichte diese Zeit allemal.

Als israelische Truppen im Juni 1967 den arabischen Teil Jerusalems besetzten, der bis dahin vom Königreich Jordanien kontrolliert worden war, nutzte Verteidigungsminister Mosche Dajan seine große politische Popularität und militärische Autorität, um für die Moscheen auf dem »Tempelberg« eine Regelung anzuordnen und zu verankern, die allzu abenteuerlichen Vorstellungen jüdischer Extremisten einen Riegel vorschieben sollte und erstaunlicherweise bis heute einigermaßen Bestand hat: Das Areal mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom untersteht der Aufsicht der jordanischen Religionsbehörde. Nichtmuslime können es zwar zu festgelegten Zeiten besuchen, dürfen dort aber keine religiösen Handlungen vornehmen.

Die damit verbundene weitverbreitete Vorstellung, Juden dürften auf dem gesamten, 35 Hektar großen Gebiet des »Tempelbergs«, das Muslime »Haram Al-Scharif« (edles Heiligtum) nennen, nicht beten, ist jedoch falsch. Denn zum »Tempelberg« gehört unter anderem auch die Westmauer – außerhalb Israels immer noch oft als »Klagemauer« bezeichnet –, die direkt unter dem Plateau mit den beiden Moscheen liegt. Probleme mit jüdischen Gebeten und anderen religiösen Handlungen gibt es dort nur aufgrund der Intoleranz ultraorthodoxer Kräfte.

Seitens der israelischen Oberrabbiner ist es geradezu unerwünscht und genaugenommen sogar verboten, dass Juden den Platz vor der Al-Aksa-Moschee betreten. Der Grund: Nach der Überlieferung lagen auf diesem Territorium der erste und der zweite Tempel, die von ausländischen Eroberern so gründlich zerstört wurden, dass bisher keine Überreste gefunden wurden. Teil des Tempels war »das Allerheiligste«, das selbst der Hohepriester nur an einem einzigen Tag des Jahres betreten durfte und zu dem der Zutritt allen übrigen Personen streng untersagt war. Da die Lage dieses Raumes nicht bekannt ist, gilt seitens der religiösen jüdischen Autoritäten ein generelles Betretungsverbot für das gesamte Gelände.

Trotzdem gibt es immer wieder spektakuläre Auftritte ultrarechter Gruppen auf dem Platz, oft unter extremem Polizeischutz, die gelegentlich arabisch-palästinensische Proteste auslösen, die mehrere Tage lang anhalten. Auf muslimischer Seite spricht man in solchen Fällen, unabhängig von der konkreten Verlaufsform der Aktionen, von einem »Sturm« auf die Al-Aksa-Moschee oder gar von deren »Entweihung«.

Auch die meisten Verbündeten Israels – wie aktuell die deutsche Regierung – werten solche Auftritte als Provokation. Praktische Folgen waren damit aber noch nie verbunden. Nach Ben-Gvirs Erscheinen am Dienstag voriger Woche fand am Donnerstag (Ortszeit) im UN-Sicherheitsrat eine Sondersitzung statt, die China und die Vereinigten Arabischen Emirate beantragt hatten. Mit Ausnahme des israelischen Botschafters bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, forderten die Vertreter aller anderen Ratsmitglieder die Aufrechterhaltung des seit 1967 bestehenden Status quo. Allerdings war eine Resolution oder eine gemeinsame Stellungnahme des Sicherheitsrats offenbar von Anfang an nicht geplant.

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