Kokossuppe mit Ingwer und Respekt
Von Maxi Wunder»Hast du etwas dagegen, wenn ich dich wasche, zerhacke und in duftender Kokosmilch weichkoche?« – »Wie bitte?« – »Und anschließend einspeichele, zerkaue, runterschlucke und verdaue?« Doris ist von Udo einiges gewöhnt, aber als »Schweigen der Lämmer«-Seherin wird ihr nun doch mulmig. »Mach hier nicht den Hannibal Lecter, Udo, mir graut vor dir!« – »Mit dir rede ich doch gar nicht, Dorle«, antwortet Udo, ohne seinen Blick von der Ingwerknolle auf dem Schneidebrett abzuwenden. »Ich rede mit dem Gemüse hier. Habe gelesen, einige Naturvölker fragen das Tier, das sie töten wollen, ob es überhaupt damit einverstanden ist, gegessen zu werden. Erst dann schlachten sie es und verwenden aus Respekt vor dem Hirsch, Büffel oder Bären sämtliche Teile: Auch das Fell, die Zähne, die Klauen …« – »Udo, auf deinem Brett liegt kein Bär, sondern eine vertrocknete Ingwerknolle!« – »Na und? Hat die keine Gefühle? Ist das kein Lebewesen? Nur weil wir den Ingwer nicht hören können, heißt das noch nicht, dass er nichts sagt!« Er neigt sein Ohr zum Brett: »Pssst, jetzt seid doch mal ruhig!« Roswitha kümmert sich nicht um Udos Sottisen – ihrer Meinung nach Folgen zu häufiger Lektüre veganer Propaganda. Geräuschvoll packt sie die Einkäufe aus: »Wird ’ne teure Suppe, Udo. Kokosnussöl – so’n Quatsch!«
Kokossuppe mit Ingwer und Respekt
Einen TL Kokosöl in einem Topf erhitzen, ein halbes Bund Frühlingszwiebeln, eine gewürfelte Gemüsezwiebel und vier gehackte Knoblauchzehen dazugeben. Außerdem einen mit dem Messer zwecks Aromafreisetzung ramponierten Zitronengrasstengel (vorher fragen!), einen daumennagelgroßen, um Erlaubnis gebetenen gehackten Ingwer und zwei geschälte und in Scheiben geschnittene Karotten dazugeben und weichkochen (Karotten nicht fragen, die wollen nie!). Sobald es duftet, drei bis vier Tassen Wasser dazugeben. Dann eine Dose Kokosmilch, zwei EL Sojasauce und zwei EL Gemüsebrühpulver (die wurden schon vom Hersteller gefragt, aber der hatte Rockmusik an) reingeben und alles zum Kochen bringen. Dann zwei gelbe Paprikaschoten (die roten streiken ja immer), zehn in Scheiben geschnittene Champignons (Vorsicht, die haben Rechte! Besser schriftlichen Antrag stellen) und sonstiges, wehrloses Gemüse nach Gusto hinzufügen und circa 20 Minuten köcheln lassen. Den Zitronengrasstengel entfernen und die Suppe mit Salz oder Sojasauce abschmecken. Mit frisch gehacktem Schnittlauch (nicht diskutieren) bestreuen und servieren. Dazu Limettenviertel reichen (die sind sowieso schon sauer).
Roswitha betrachtet traurig den ausgelaugten Zitronengrasstengel. »Vielleicht sollten wir Udos neue Philosophie erstmal mit intelligenterem Leben ausprobieren.« Sie wendet sich unserem Dackel Molotow zu, der zu ihren Füßen liegend hingegeben an einem unveganen Kauknochen nagt. »Töffi. Was hältst du davon, wenn wir dich schlachten, dir das Fell über die Ohren ziehen, dich am Spieß grillen und uns aus deinen Nägelchen Halsketten machen?« Töffi kaut unverdrossen weiter und klopft als Antwort freundlich mit dem Schwanz aufs Parkett. »Siehste, Udo. Der wär einverstanden.«
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