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Aus: Ausgabe vom 07.01.2023, Seite 7 / Ausland
US-Imperialismus

Rattenfänger Biden

Mexiko: Eskalierende Gewalt nach Festnahme von Kartellboss »El Ratón«, auf den US-Regierung Kopfgeld ausgesetzt hat
Von Annuschka Eckhardt
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Blockiert und ausgebrannt: Wenn die staatlichen Stellen machtlos sind (Culiacan, 5.1.2023)

Laute Schusswechsel, Rauchschwaden am Horizont und Schreie. Das verwackelte Handyvideo aus der Passagiermaschine der Airline Aeroméxico zeigt Fluggäste, die sich verängstigt zwischen den Sitzreihen ducken.

Der Flughafen der mexikanischen Stadt Culiacán musste am Donnerstag weiträumig abgesperrt werden, nachdem Mitglieder des Sinaloa-Kartells eine Maschine der Luftwaffe und auch Passagiermaschinen angegriffen hatten. Grund dafür: Der Sohn des berühmt-berüchtigten ehemaligen Oberhauptes des Sinaloa-Kartells, Joaquín »El Chapo« Guzmán, wurde festgenommen. Soldaten hatten Ovidio Guzmán, der auch als »El Ratón« (die Ratte, jW) bekannt ist, am frühen Donnerstag morgen (Ortszeit) festgenommen, wie mexikanische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Sicherheitskreise berichteten. Daraufhin brannten Lkws im ganzen Bundesstaat Sinaloa. Straßenblockaden wurden errichtet, Zufahrtsstraßen versperrt, bei den Schusswechseln zwischen Angehörigen des Kartells und den staatlichen Einsatzkräften starben mindestens 29 Menschen, viele weitere wurde verletzt.

Im Oktober 2019 war Guzmán schon einmal festgenommen, jedoch nach wenigen Stunden wieder freigelassen worden, um die eskalierende Gewalt einzudämmen. Diese Entlassung auf Druck der kriminellen Banden zeigte die Macht der Kartelle in Mexiko. Warum Guzmán nun erneut festgenommen wurde und ob diese Festnahme mit dem anstehenden Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Joseph Biden am Sonntag zusammenhängt, lässt Raum für Spekulationen.

Das Sinaloa-Kartell agiert in ganz Mexiko und kontrolliert große Teile der Fentanylproduktion. Fentanyl ist synthetisches Opioid, weitaus stärker als Heroin. Es spielt in der Opioidkrise in den USA eine treibende Rolle und sorgt jedes Jahr für Zehntausende tödliche Überdosen. Ein Gericht in Washington erhob bereits 2018 Anklage gegen Guzmán und seinen Bruder Joaquín wegen Verschwörung zum Schmuggel von Kokain, Marihuana, Amphetaminen, Methamphetaminen und synthetischen Drogen in die USA. Das US-Außenministerium hat ein Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar (circa 4.7 Millionen Euro) auf Guzmán ausgesetzt.

»Wir können ihn weder heute noch morgen oder übermorgen ausliefern, denn wir müssen die Formalitäten einhalten, die uns das Gesetz vorschreibt, außerdem läuft gegen ihn ein offenes Verfahren in Mexiko«, sagte der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard am Donnerstag. Ebrard bestätigte, dass die Regierung der Vereinigten Staaten ein Ersuchen um Auslieferung von Ovidio Guzmán gestellt hat, schloss jedoch aus, dass dies schnell geschehen werde.

Das mexikanische Außenministerium bestritt jedoch gegenüber der Presse, dass US-Agenten an der Operation beteiligt waren, Guzmán festzunehmen, wie der Nachrichtensender Telesur am Freitag berichtete.

Der mexikanische Außenminister erklärte außerdem, dass die Verhaftung von Guzmán »nichts mit der Ankunft von US-Präsident Joseph Biden am kommenden Sonntag zu tun« habe, der am Gipfeltreffen der nordamerikanischen Staats- und Regierungschefs teilnehmen wird. »Die mit dieser Operation betrauten Behörden hielten sich strikt an die Geheimhaltung, und es gab keine Vermittlung oder politische Konsultation im Kabinett; es gibt keine Verbindung zwischen der Polizeiaktion selbst und dem Gipfel«, versicherte er.

»Was die Situation in Sinaloa betrifft, so muss darauf hingewiesen werden, dass die Narcoaktivitäten einerseits mit dem Staat verbunden sind und dass andererseits seit Jahren mit Zustimmung der Regierung eine starke Präsenz von US-Polizeimaßnahmen in Mexiko besteht«, sagte Pável Blanco, erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Mexikos (PCM), am Freitag gegenüber jW. Dieser Widerspruch führe dazu, dass die Verhaftungen von Kartellbossen mit dem Druck der USA in Verbindung gebracht werde. »In diesem Fall haben wir den Eindruck, dass in den USA die Monopole, die Marihuana legalisiert haben und den Handel damit kontrollieren, aufgrund der Konkurrenz, die das Vorhandensein von Fentanyl auf dem nordamerikanischen Binnenmarkt darstellt, starken Druck ausgeübt haben«, so Blanco.

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