Erstes Gespräch nach elf Jahren
Von Nick Brauns
Erstmals seit elf Jahren hat wieder ein offizieller Kontakt zwischen Regierungsvertretern der Türkei und Syriens stattgefunden. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar traf sich Mitte der Woche in Moskau mit seinen syrischen und russischen Amtskollegen Ali Mahmud Abbas und Sergej Schoigu. Ebenfalls beteiligt waren der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan sowie dessen Kollegen aus den beiden anderen Staaten.
Es sei um »Wege zur Lösung der syrischen Krise, des Flüchtlingsproblems und gemeinsame Anstrengungen zur Bekämpfung von extremistischen Gruppen in Syrien« gegangen, erklärte Schoigu im Anschluss an die siebenstündigen Gespräche. Aus dem türkischen Verteidigungsministerium hieß es am Donnerstag, für Januar sei ein Treffen der Präsidenten Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und Baschar Al-Assad geplant. Kürzlich erst hatte Assad noch eine Gesprächsofferte Erdogans ausgeschlagen.
Bis 2011 war das Verhältnis von Erdogan und Assad allerdings so eng, dass ihre Familien den Urlaub gemeinsam verbrachten. Doch nach Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges hatte Erdogan den syrischen Präsidenten als »blutrünstigen Diktator« bezeichnet, und die Türkei wurde zu einem Hauptunterstützer dschihadistischer Kampfverbände in Syrien. Erdogans Hoffnung, eine von der Muslimbruderschaft dominierte Regierung in Damaskus zu installieren, hat sich längst zerschlagen. Die jetzige, durch Geheimdienstkontakte vorbereitete Annäherung an Damaskus ist daher primär antikurdisch motiviert.
So hat die Türkei Interesse darin, die Autonome Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien zu zerschlagen. »Unser einziges Ziel ist der Kampf gegen den Terrorismus«, bekräftigte Akar am Donnerstag unter Verweis auf die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, und die ihr ideologisch nahestehenden Volksverteidigungseinheiten YPG in Nordsyrien. Auch den »Islamischen Staat« (IS) nannte Akar als zu bekämpfende Terrororganisation, allerdings hatten türkische Luftangriffe auf die Wachen von Internierungslagern erst vor einem Monat darauf gezielt, den dort gefangenen Dschihadisten zur Freiheit zu verhelfen.
In der Selbstverwaltungsregion besteht nun die Befürchtung, die Türkei könnte infolge der trilateralen Gespräche grünes Licht für eine von Erdogan seit Monaten angedrohte Bodenoffensive bekommen. Der dortige Demokratische Syrien-Rat warnte daher am Freitag »unser freies syrisches Volk, nicht zur Verhandlungskarte in den Händen von Spielern zu werden, denen es nur um ihre eigenen Interessen und den Erhalt ihrer Macht und Kontrolle geht«. Der bislang um Ausgleich mit Damaskus bemühte Rat rief nun dazu auf, »dieser Koalition entgegenzutreten und sie zu stürzen und die Kräfte der Revolution und der Opposition angesichts der Tyrannei und des Ausverkaufs syrischen Blutes zu vereinen«.
Bei Ankaras dschihadistischen Söldnern sorgt derweil eine Ankündigung der türkischen Regierung für Unruhe, besetzte Gebiete in Nordsyrien wieder der Kontrolle von Damaskus unterstellen zu wollen. So kam es am Freitag in Afrin und Idlib zu Protesten von Siedlern gegen Erdogans »Verrat«.
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