Mühsam und langwierig
Von Knut Mellenthin
Es hat in den meisten Medien kaum Beachtung gefunden: Am Dienstag fand in Teheran ein »Gipfeltreffen« statt, zu dem eine 70köpfige Delegation aus China unter Leitung des Vizeministerpräsidenten Hu Chunhua angereist war. Auf iranischer Seite stand ihm der Erste Vizepräsident Mohammad Mokhber gegenüber. Der offizielle Titel der Konferenz lautete in der Weltsprache Englisch: »Iran–China Comprehensive Cooperation Program Summit«. Das erklärte Ziel des Treffens bestand, in den Worten des iranischen Ministers für Finanzen und Wirtschaftsangelegenheiten, Ehsan Khandusi, darin, »den Weg für die Umsetzung des 25-Jahre-Abkommens zu ebnen«.
Phantasievolle Darstellungen
Das bezieht sich auf ein Abkommen, das am 27. März 2021 in Teheran unterzeichnet wurde, dessen Text anscheinend nicht veröffentlicht wurde, und das immer noch eine allgemein gehaltene Absichtserklärung geblieben ist. Im Kern geht es angeblich, unbestätigten und zum Teil sehr phantasievollen Darstellungen westlicher Medien zufolge, um riesige Investitionen in einer Gesamthöhe von 400 Milliarden US-Dollar, die chinesische Staatsunternehmen im Verlauf von 25 Jahren in zentralen Bereichen der iranischen Wirtschaft vornehmen wollen. Das wären dann durchschnittlich 16 Milliarden jährlich. Diese Behauptung hat einen hohen Grad an Unwahrscheinlichkeit: Nirgendwo auf der Welt, außer im eigenen Land, nimmt China über einen so langen Zeitraum so riesige Investitionen vor.
Das gilt erst recht für den Iran: Die westlichen, vor allem US-amerikanischen Sanktionen erlebten seit der »Islamischen Revolution« 1979 zwar ein Auf und Ab. Aber in der Gesamttendenz wurden sie immer mehr gesteigert. Der seit Januar 2021 amtierende US-Präsident Joseph Biden hat – mit ganz wenigen individuellen Ausnahmen – keine Sanktionen außer Kraft gesetzt, aber viele neue hinzugefügt. Solange sich daran nichts ändert, werden Chinas Staatsunternehmen voraussichtlich keine bedeutenden Investitionen vornehmen. Diese Feststellung gilt, solange die Volksrepublik nicht dazu getrieben wird, ihre Beziehungen zu den USA abzubrechen und sich auf alle damit verbunden Folgen einzulassen.
Was geschah diesbezüglich beim Teheraner Gipfel am Dienstag? Iranische Medien berichten, dass an diesem Tag 16 »MoUs« im Rahmen des 25-Jahres-Abkommens und zu dessen Umsetzung unterzeichnet wurden. Die Abkürzung »MoU« steht für »Memorandum of Understanding«. Das meint mehr oder weniger unkonkret formulierte Absichtserklärungen, die nicht rechtsverbindlich sind. »MoU« ist die wichtigste Buchstabengruppe, die ständig vorkommt, wenn es um die »strategischen Beziehungen« zwischen China und dem Iran geht.
Die 16 Absichtserklärungen betreffen, nach Angaben iranischer Medien, die Gebiete »Erdöl und Erdgas, Banken und Investitionen und strategische Projekte«. Praktisch scheinen die Abmachungen nicht wesentlich mehr vorzusehen als die Bildung bilateraler Arbeitsgruppen zu einzelnen Punkten der »strategischen Beziehungen« zwischen China und dem Iran. Die Aufgabe dieser Arbeitsgruppen besteht darin, Teilentwürfe für einen Gesamtvertrag zu produzieren, über die beim nächsten Gipfeltreffen der Präsidenten beider Länder gesprochen werden soll. Für eine solche Begegnung ist aber noch kein Termin in Aussicht genommen worden.
Große Verärgerung
Der lange Weg zur Fixierung und Praktizierung der »strategischen Partnerschaft«, die vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping vorschlagen wurde, als er Teheran im Januar 2016 besuchte, scheint noch lange nicht erfolgreich abgeschlossen zu sein. In einem aus 20 Einzelpunkten bestehenden Papier hatten die beiden Staaten vor nunmehr bald sieben Jahren ohne Zeitplan und ohne inhaltliche Festlegungen ihre gemeinsame Absicht beschworen, ihre Zusammenarbeit auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, militärische Verteidigung und Kultur auszubauen.
Praktisch ist man aber zwischen Beijing und Teheran seither nicht wesentlich vorangekommen. Wie kompliziert sich die Beziehungen gestalten, wurde gerade erst wieder deutlich, als Präsident Xi am 8. Dezember bei einem Gipfeltreffen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad eine gemeinsame Stellungnahme mit den Staaten des Golf-Kooperationsrats unterzeichnete. Von deren 18 Punkten beschäftigten sich fünf unmittelbar mit dem Iran und je ein weiterer mit dem Jemen und mit den Geschehnissen in Irak, Syrien und Libanon, an denen Iran ebenfalls äußerst interessiert ist. Im Iran, dessen Interessen nicht berücksichtigt worden waren, löste die offenbar nicht abgesprochene Stellungnahme große Verärgerung aus.
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