Kein Ausgleich durch Prämie
Von Susanne Knütter
Das Losungswort der Stunde lautet Einmalzahlungen. Bei den Tarifpartnern auf der Kapitalseite sind sie derzeit hoch im Kurs. Ein Grund ist die Inflationsausgleichsprämie, die mit dem dritten »Entlastungspaket« der Bundesregierung beschlossen wurde. Demnach können »Arbeitgeber« ihren Beschäftigten seit dem 26. Oktober steuerfrei und abgabenfrei einen Betrag bis zu 3.000 Euro gewähren. Freiwillig – versteht sich. Vom Deutschen Gewerkschaftsbund im Rahmen der »Konzertierten Aktion« unterstützt, ist sie für die Beschäftigten in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen zu einer echten Belastung geworden.
So etwa derzeit beim Arbeitskampf der Beschäftigten an den baden-württembergischen Unikliniken. Der Streit um die tabellenwirksame Erhöhung ist derzeit der Hauptkonfliktpunkt, sagte Andreas Henke, Sprecher für den Verdi-Landesverband Baden-Württemberg, am Dienstag im Gespräch mit jW. Die Einmalzahlung, die der »Arbeitgeberverband Universitätsklinika« den Beschäftigten anbietet, »kann für uns nur ein Add-on« sein. In der zweiten Tarifrunde Anfang November hatte dieser bei der Sonderzahlung noch mal draufgelegt. Statt 2.100 Euro bietet der Unternehmerverband nun 4.200 Euro. Dafür soll es Gehaltserhöhungen noch später geben: anstatt ab Januar nun erst im Juli 2024. Die erste und einzige Tabellenerhöhung seit dem 1. März 2022 gäb es nach dem Willen der Kapitalseite dann nach insgesamt 28 Monaten. Die Steigerung: sechs Prozent im Durchschnitt.
Verdi hatte im Jahr 2020 auf dem Höhepunkt der Pandemie selbst Prämienzahlungen durchgesetzt. Aber damals habe die Inflationsrate bei 0,4 bis 0,5 Prozent gelegen, sagte Henke. Jetzt sei die Situation ganz anders. »Im Rucksack haben wir immer mehr Inflationsgepäck«. Allein zwischen der ersten und zweiten Verhandlungsrunde hatte es einen Sprung der Inflation von weiteren 0,4 Prozent gegeben. Die Einmalzahlung ist dafür kein Ausgleich. Und die sechs Prozent mehr Lohn sind zu niedrig und kommen zu spät. Die Kollegen der Unikliniken haben das verstanden, so Henke. Die Streikbereitschaft sei sehr hoch. Höher als bei der letzten Auseinandersetzung vor drei Jahren.
Deshalb wird an den vier Unikliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm vor der dritten und vorerst letzten Verhandlungsrunde am 1. Dezember wieder gestreikt. Diesmal vier Tage durchgehend, von Montag bis einschließlich Donnerstag. Die Gewerkschaft erwartet, dass die Kliniken dann »einen ernsthaften Vorschlag machen, wie eine dauerhafte Entwertung der Einkommen um über rund fünfzehn Prozent verhindert wird«, erklärte Verdi am Dienstag. Die Rückmeldung aus allen vier Standorten sei »nahezu unisono: Wir sind bereit, für die Sicherung unserer Einkommen zu kämpfen – wenn es sein muss, auch noch länger«, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Irene Gölz.
Verdi hatte für die 26.000 nichtärztlichen und nichtwissenschaftlichen Beschäftigten ursprünglich 10,5 Prozent, mindestens aber 375 Euro pro Monat bei einer Tarifvertragslaufzeit von zwölf Monaten gefordert. Für die Auszubildenden verlangt die Gewerkschaft 200 Euro pro Monat.
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