Mysteriöser Tod in Kenia
Von Thomas Berger
Warum musste Arshad Sharif sterben? War es lediglich eine tragische Verwechslung, als der renommierte pakistanische Journalist am 23. Oktober in Kenia an einer Polizeisperre erschossen wurde – oder handelt es sich um einen gezielten Mordanschlag im Rahmen einer größeren politischen Verschwörung? Auch mehr als zwei Wochen nach dem Vorfall, der international Schlagzeilen machte, bleiben viele Fragen offen.
Die mittlerweile vorliegenden Ergebnisse der Obduktion deuten in Richtung der Mordtheorie. Der Bericht der Pathologen wurde von den kenianischen Behörden auch einem pakistanischen Sonderermittlungsteam übermittelt, mehrere Medien in Pakistan lag dieser gleichsam vor. Demnach steht fest: Der 49jährige wurde von zwei tödlichen Schüssen getroffen, die laut Untersuchungsbericht offenbar aus relativer Nähe abgegeben worden sein müssen. Ein Projektil traf Sharifs Kopf auf der linken Seite und schädigte sein Hirn den Pathologen zufolge erheblich. Das zweite Geschoss trat in den Rücken ein und im Brustbereich wieder aus.
Dieser Befund widerspricht tendenziell der zunächst abgegebenen Erklärung, es habe sich schlicht um eine Verwechslung gehandelt. In einem ersten Statement hatte Kenias Polizei sich für einen »tragischen Irrtum« entschuldigt. Beamte hätten an einer Absperrung auf den nicht anhaltenden Wagen in der Annahme gefeuert, bei den Insassen handele es sich um mögliche Entführer. Schnell war aber klar: Der Fahrzeugtyp des angeblich gestohlenen Autos, nach dem gefahndet wurde, und jener, in dem der Journalist und ein Begleiter saßen, waren leicht unterscheidbar völlig andere.
Der getötete Arshad Sharif gehörte zu den bekanntesten Journalisten Pakistans. Die vergangenen acht Jahre arbeitete er als Moderator für den Fernsehsender Ary News. Dass er politisch dem im April dieses Jahres per Misstrauensvotum als Premierminister gestürzten Imran Khan und dessen Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) nahestand, daraus hatte er kein großes Geheimnis gemacht. Offiziell wegen mangelnder professioneller Distanz hatte sich die TV-Leitung aber im August von seinem prominenten Moderator getrennt. Anlass war ein Interview, das Arshad Sharif mit Shahbaz Gill, einem engen Vertrauten Imran Khans, geführt hatte. Gill war wegen aufrührerischer Statements verhaftet und nach eigenen Angaben in Polizeigewahrsam heftig misshandelt worden, die Rede war von »Folter«.
Das Interview hatte den Fernsehsender in Bedrängnis gebracht. Vertraute aus dem Sender sollen dem als gefährdet eingestuften Arshad Sharif nahegelegt haben, nach der Entlassung eine Weile unterzutauchen. Zunächst flog er nach Dubai, wo er sich ein Visum für Kenia besorgen konnte. Dort kam er laut übereinstimmenden Berichten bei seinem Landsmann Khurram Ahmed unter, der schon länger in dem ostafrikanischen Land leben soll. Zusammen mit Ahmed war er auch auf einer Ausfallstraße am Rande der Hauptstadt Nairobi an jenem verhängnisvollen 23. Oktober unterwegs.
Die Anteilnahme bei Arshad Sharifs Beisetzung am 27. Oktober in Islamabad war groß. Bis zu 25.000 Menschen sollen Medienberichten zufolge daran teilgenommen haben. Erledigt scheint der Fall damit nicht. Im Gegenteil, er bleibt über den Tod hinaus mysteriös. Auch deshalb: Am Beisetzungstag rief erstmals in Pakistans Geschichte ein Geheimdienstchef eine Pressekonferenz ein. General Nadeem Ahmed Anjum, Leiter des mächtigen ISI, und ein weiterer ranghoher Vertreter der Sicherheitskräfte wiesen dabei jede Unterstellung eines Mordkomplotts zurück.
Ferner war bekanntgeworden, dass Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif bereits einen Tag nach dem Tod des Journalisten mit seinem kenianischen Amtskollegen William Ruto telefoniert hatte. Bei dem Gespräch soll es um die Zusicherung eines »maximalen Informationsaustausches bei den Ermittlungen« gegangen sein. Vor dem tödlichen Ereignis war der Exmoderator noch aus Kreisen der Pakistanischen Muslimliga-Nawaz (PML-N) von Premier Sharif offen angefeindet worden.
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