Gegen Einmischung
Von Karin Leukefeld
Am Mittwoch ist in Algerien das Gipfeltreffen der Arabischen Liga zu Ende gegangen. Konflikte gab es Medienberichten zufolge vor allem zwischen Marokko und dem Gastgeber. Die Grenzen zwischen beiden Ländern sind geschlossen, Algerien brach die diplomatischen Beziehungen zu Marokko im August 2021 ab, nachdem das Königreich ein militärisches Abkommen mit Israel unterzeichnet und israelische Truppen ins Land gelassen hatte. Rabat wiederum wirft Algier vor, die Frente Polisario zu unterstützen, die für die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten Westsahara kämpft.
Ursprünglich war die Teilnahme des marokkanischen Königs Mohammed VI. angekündigt worden, doch die eintreffende Delegation wurde von Nasser Bourita geleitet, dem Außenminister. Über Medien wurden zahlreiche Anschuldigungen verbreitet, die offiziell nicht bestätigt wurden. So sei die marokkanische Delegation von der algerischen Sicherheitsbegleitung abgehört und marokkanische Journalisten seien schikaniert worden.
Trotzdem konnte der Gipfel eine abschließende »Erklärung von Algier« annehmen. Darin wurde jede ausländische Einmischung in die internen Angelegenheiten der arabischen Staaten zurückgewiesen. Probleme und Unstimmigkeiten sollten von den Staaten der Arabischen Liga friedlich und im Dialog gelöst werden. Die Liga solle eine aktivere Rolle bei der Konfliktlösung einnehmen, insbesondere bei den Krisen im Jemen, in Libyen und Syrien.
Gastgeber Abdelmadjid Tebboune, der algerische Präsident, erinnerte an die Entwicklung einer arabischen Zollunion, dafür solle die Großarabische Freihandelszone (GAFTA) vollständig aktiviert werden. Ziel des 1998 in Kraft getretenen Zusammenschlusses von heute 18 arabischen Staaten ist, Zölle, Gebühren und Steuern beim grenzüberschreitenden Handel anzupassen und perspektivisch aufzuheben.
Die Teilnehmer unterstrichen ihre »volle Unterstützung für die Rechte des palästinensischen Volkes, einschließlich des Rechts auf Freiheit und Selbstbestimmung und des Rechts auf Rückkehr« der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Die »ungerechte Blockade des Gazastreifens« durch Israel müsse aufgehoben werden. Das Gipfeltreffen forderte zudem die Freilassung aller Gefangenen; insbesondere Kinder, Frauen, kranke und ältere Menschen müssten die Gefängnisse verlassen dürfen. Die Staaten unterstützten die volle Mitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen; die israelische Besatzungsmacht müsse für ihre Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.
Der Gipfel stellte sich zudem hinter die Politik der »OPEC plus«-Staaten. Ausdrücklich wurden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, eine »kollektive Führungsrolle einzunehmen, um eine politische Lösung für die Krise in Syrien zu erreichen«.
Eine Grußbotschaft gab es vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, der an die Notwendigkeit erinnerte, eine multipolare Weltordnung zu errichten. Der Prozess dafür sei bereits im Gange, hieß es in dem Schreiben. Die neue Weltordnung basiere darauf, die legitimen Interessen aller Staaten zu respektieren. Den arabischen Staaten käme dabei eine wichtige Rolle zu.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres wandte sich an das Gipfeltreffen und appellierte an die Einheit der arabischen Welt. »Spaltung öffnet die Tür für fremde, nichtarabische Einmischung«, sagte Guterres den Delegierten in Algier. Das bringe Terrorismus, Manipulation und religiöse Streitigkeiten mit sich. In Einigkeit könnten die Führungen der arabischen Länder die »großen Potentiale nutzen und zu globalem Frieden und Sicherheit beitragen«.
Seitens der EU wurde keine Stellungnahme zu dem Gipfeltreffen bekannt. Zahlreiche arabische Staaten hatten kürzlich den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell scharf für seine Äußerung kritisiert, Europa sei »ein Garten, der Rest der Welt ein Dschungel«. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten den EU-Vertreter wegen der »rassistischen Äußerungen« Borrells ins Außenministerium einbestellt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Micha K. aus Offenbach ( 4. November 2022 um 11:36 Uhr)Es ist immer wieder rührend, wenn sich die Regierungen der arabischen Staaten für die PalästinenserInnen einsetzen und Rechte für diese einfordern, die man der eigenen Bevölkerung vorenthält. Gleichzeitig gewährt man den palästinensischen Menschen, die in die Länder der arabischen Welt geflüchtet sind, nichts, was über den Geflüchtetenstatus hinausgeht. Die Massaker an diesen Menschen in Syrien beispielsweise sind nicht in das allgemeine Bewusstsein der arabischen Welt übergegangen. Heuchelei und politische Instrumentalisierung durch die verschiedenen Regime ist alles, was die PalästinenserInnen erwarten können. Wer solche Freunde hat …
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