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Aus: Ausgabe vom 21.10.2022, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Neue Seidenstraße

Seit 2013 bündelt und konzertiert die Volksrepublik China ihre Bemühungen um den internationalen Handel. Eine ganze Reihe von Programmen und Projekten zur Schaffung von Infrastrukturen werden unter der Bezeichnung »Ein Gürtel, eine Straße« (Yidai Yilu) zusammengefasst. Im deutschen Sprachraum verwendet man das Schlagwort »Neue Seidenstraße«. International hat sich der englische Begriff »Belt and Road Initiative« durchgesetzt.

Die Handelswege und -vernetzungen involvieren mehr als 60 Länder in Asien, Europa und Afrika. Der historische Bezug zum alten China, der mit dem Ausdruck »Seidenstraße« hergestellt wird, entspringt nicht bloß einer auf Anschaulichkeit zielenden PR-Maßnahme, das Projekt selbst orientiert sich am historischen Vorbild. So zieht es die Routen nach, die Reisende seit dem Mittelalter zwischen China und Europa benutzt haben: Die von Marco Polo benutzte Seidenstraße im Norden und die Wasserfahrwege des Admirals Zheng He im Süden. Die Belt and Road Initiative schafft einen breiten Handelskorridor entlang diesen Routen. Entsprechend wird sie unterteilt in die nördlichen Landrouten (Silk Road Economic Belt) und die südlichen Meerwege (Maritime Silk Road).

Das Projekt erreicht inzwischen mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung und berührt etwa 35 Prozent der Weltwirtschaft. Der Anteil des Handels über die Landwege liegt unter vierzig Prozent, der größere Teil fällt auf die Seerouten. Man geht davon aus, dass in den Seerouten größeres Wachstumspotential steckt.

Während die Belt and Road Initiative in westlichen Medien teils als Propagandamaßnahme, teils als Mittel der politischen Einflussnahme gesehen wird, verweist die Regierung der Volksrepublik China darauf, dass das Projekt nicht allein chinesischen Interessen dient, sondern der ganzen Welt zugute kommt. Kollaterale Effekte des Projekts sollen die Stabilisierung der Grenzen zu den politisch oft unsicheren Staaten Mittelasiens und die wirtschaftliche Entwicklung des westlichen Landesteils sein, insbesondere des autonomen Gebiets Xinjiang. 2019 gab Chinas Verteidigungsminister Wei Fenghe bekannt, dass die Belt and Road Initiative um militärische Kooperationen ergänzt werden soll.

Die USA reagierten auf die Formierung der chinesischen Initiative und die damit verbundene Verlagerung von Wirtschaftsströmen mit einem Zertifizierungsprogramm für Infrastrukturprojekte in Asien, in das auch Japan und Australien eingebunden sind. Das »Blue Dot Network« soll asiatische Projekte nach Sicherheit und Kreditwürdigkeit klassifizieren.

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