FDP für Bibberbonus
Von Raphaël Schmeller
Die Gaskrise in der BRD droht sich zu verschärfen. Wer Schuld daran hat, steht für die FDP längst fest: Hartz-IV-Bezieher, die angeblich mit Energie nicht sparsam umgehen können. Der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, schlägt deshalb vor, Grundsicherungsempfängern einen Bonus zu zahlen, wenn sie beim Heizen sparen. Denn die deutlich gestiegenen Preise seien für viele Menschen bereits der wichtigste Anreiz, um Gas einzusparen, so Köhler gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstag). »Wer jedoch Arbeitslosengeld II bezieht, hat diesen Anreiz nicht, da die Kosten in der Regel vollständig vom Jobcenter übernommen werden«, meint Köhler.
Mit diesem Vorstoß »möchte die FDP Hartz-IV-Bezieher durch materielle Anreize offenbar motivieren, im Winter zu frieren, damit sie aufgrund des Bonus genug Geld haben, um im darauffolgenden Sommer nicht hungern zu müssen«, sagte Armutsforscher Christoph Butterwegge am Sonntag gegenüber jW. Er kritisierte, der »unsoziale Vorschlag« fördere das Ressentiment, Transferleistungsbezieher seien große Energieverschwender. Die FDP unterstelle damit zudem, die Jobcenter übernähmen allzu bereitwillig hohe Miet- und Heizkosten. »Dies war aber im Jahr 2020 bei etwa 450.000 Haushalten im Hartz-IV-Bezug nicht der Fall.« Pro Haushalt seien durchschnittlich 87 Euro nicht erstattet worden, »in einzelnen Gemeinden lagen die Kürzungen sogar bei über 200 Euro monatlich«, so Butterwegge.
Die FDP stellt nun also nicht nur wiederholt ihren Klassenhass gegen Arme zur Schau, sondern offenbart auch grobe Unkenntnis in Sachen Sozialpolitik. Denn wie Butterwegges Ausführung zeigt, werden Heizkosten vom Jobcenter nur übernommen, wenn sie einen »angemessenen Rahmen« nicht sprengen, – das heißt: wenn sie den ortsüblichen Durchschnittswerten entsprechen. Grundsicherungsempfänger können den Heizregler nicht einfach so hochdrehen, wie der FDP-Vorschlag es fälschlicherweise vermuten lässt. Außerdem muss Strom trotz explodierender Preise weiterhin aus den Regelleistungen bezahlt werden. Die Pauschale, die das Jobcenter dafür vorsieht, beträgt aktuell 36 Euro pro Monat. Dass das die tatsächlichen Kosten nicht annähernd deckt, dürfte sogar der FDP klar sein.
Die Ampelregierung lässt das aber kalt. Einen kräftigen Anstieg der Regelsätze, um die Inflation auszugleichen, wird es wohl nicht geben. Das »Bürgergeld«, das das Hartz-IV-System frühestens im nächsten Jahr ablösen soll, sieht eine Anhebung der monatlichen Zahlungen um lediglich 40 bis 50 Euro vor. Die Ärmsten der Gesellschaft werden somit regelrecht im Stich gelassen.
Angesichts dieser Lage wollen Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Kirchen, den Druck auf die Regierung erhöhen. »Der Angriffskrieg auf die Ukraine, die Coronapandemie und weltweit gestörte Lieferketten haben Preissteigerungen vor allem für Energie und Nahrungsmittel ausgelöst, die von Menschen mit geringen bis durchschnittlichen Einkommen kaum noch zu stemmen sind«, heißt es in dem an diesem Montag veröffentlichten Aufruf »Für Solidarität und Zusammenhalt jetzt!«. Das Bündnis fordert eine »zielgenaue und wirkungsvolle Entlastung einkommensarmer Haushalte«.
Unterzeichnet haben den Aufruf unter anderem Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, Verdi-Chef Frank Werneke, die EKD-Vorsitzende Annette Kurschus und die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele.
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Teurer Gängelapparat
Noch wärmt die Sommersonne und Kartoffeln, Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten verringern dem einen oder anderen BRD-Bürger die Kosten für teuer gewordene Lebensmittel. Doch mit dem kommenden Herbst und erst recht dem Winter endet die natürliche Wärme und die gärtnerische Selbstversorgung der Bundesbürger. Für diese nicht vermeidbaren Jahreszeiten 2022/2023 hat die bundesdeutsche Ampelregierung ihren Bürgern »frieren und hungern« prophezeit. Warum eigentlich? Bis Anfang 2021 war doch genügend bezahlbare Wärme und Versorgung mit dem nötigsten Lebensmittel für die Bundesbürger garantiert. Russland war zuverlässiger und preiswerter Lieferant für Gas und Öl als Quelle für ausreichend Wärme und zudem Exporteur von Getreide für genügend Brot und Nährmittel. Wer hat diesen Wärme- und Nahrungsmittellieferanten so plötzlich und rigoros die Annahme verweigert?
Das können nur regierungsunfähige deutsche Politiker gewesen sein, Politiker, die nicht im Interesse ihrer Bürger entscheiden, sondern unter dem Druck der bröckelnden fremden transatlantischen Macht der USA. Sie trichtern den Bundesbürgern über ihnen hörige Medien ein, kalte Füße, blaue Lippen und hungrige Mägen seien moralische Waffen gegen Russland, gegen Putin. Wer auf Gasenergie verzichtet und die steigenden Lebensmittelpreise zahlt, soll dem Machtanspruch der BRD in Europa gerecht werden und fördere deren Teilhabe an der Rettung der scheidenden Weltmachthegemonie der USA.
Bundesbürger, lasst Euch nicht »verampeln«! In kalten Wohnungen im kommenden Winter stört ihr Putin nicht in seinem russischen Bärenfell. Spartanisches Frühstück, Mittagessen und Abendbrot wegen der Preisexplosion für Lebensmittel werden Putin nicht in die Knie zwingen. Ihr werdet frieren und hungern wegen und für Biden, Stoltenberg, von der Leyen, Scholz, Habeck, Lindner und Baerbock. Sie und diejenigen, die sie stützen, wollen sich wärmen an der Macht über die Völker der Welt. Sie wollen schlemmen und prassen von den Gewinnen aus der Ausbeutung der Reichtümer der Erde. Deshalb sind Aufrüstung, Kriegstreiberei, Ausbeutung und Unterdrückung nach außen und im Inneren ihr primäres politisches Handwerkszeug.
Wer Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit predigt, der stellt keine Frage mehr nach Ursachen von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung im Kapitalismus. Verarmung als eigne Schuld und Versagen erklärt sich so leicht. Wer stellt dann noch die Frage danach, wodurch Reiche immer reicher werden, wessen Arbeit und Fleiß allein Reichtum schafft.
Ungestraft können Politiker ihren Klassenhass ausleben. Die Ärmsten haben keine Lobby und nicht einmal mehr eine klassenbewusste Partei mit der Linkspartei oder Gewerkschaften.
Kriminelle Machenschaften und Bereicherungen der Konzerne erscheinen gar nicht mehr im Lichte des Konfliktes zwischen Kapital und Arbeit, Profiteure werden als Leistungsträger gefeiert; Ausgebeutete, Verarmte ohne oder in Arbeit schweigen in Demut. Oft haben wir einen »heißen Herbst« beschworen. Es blieb maximal lau. Können Krise, Krieg und Hochmut der herrschenden Klasse und Politik den Widerstand beleben?