Geld und warme Worte
Von Frederic Schnatterer
Noch vor einem Monat hatte sich Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador geweigert, persönlich am sogenannten Amerikagipfel in Los Angeles teilzunehmen. Nun traf er sich am Dienstag (Ortzseit) mit seinem US-Amtskollegen Joseph Biden in Washington, D.C. Das bestimmende Thema bei dem Gespräch im Weißen Haus: die Migrationsbewegungen aus Mexiko und Zentralamerika in die USA.
Laut Statistiken der US-Grenzbehörde nahm besonders die Zahl mexikanischer Staatsangehöriger, die beim »illegalen« Grenzübertritt festgenommen wurden, zuletzt deutlich zu. So seien im Mai rund 70.000 Mexikanerinnen und Mexikaner an der Einreise in die USA gehindert worden. Im gleichen Monat des Jahres 2019 hatte die Zahl noch bei rund 18.000 gelegen. Auch von den 53 Ende Juni in einem Lkw im US-Bundesstaat Texas gefundenen toten Migranten, die beim Versuch der Einreise mutmaßlich erstickt waren, besaß fast die Hälfte die mexikanische Staatsbürgerschaft, der Rest kam aus Ländern Zentralamerikas. Ein gewichtiger Teil der Migranten aus Zentralamerika erhält mittlerweile Aufenthaltsgenehmigungen in Mexiko.
Nach dem Gespräch im Weißen Haus erklärte Biden am Dienstag, Migration sei ein »gemeinsames Problem der gesamten Hemisphäre«. Um dieses anzugehen, müssten die Möglichkeiten der legalen Einreise in die USA verbessert werden. Da Migranten dabei helfen könnten, den »Mangel an Arbeitskräften« zu beheben, so Biden. »Das ist eine erprobte Strategie, die das Wirtschaftswachstum anheizt und die irreguläre Migration reduziert.« In einer von beiden Präsidenten unterzeichneten Erklärung heißt es außerdem, der Tod der Migranten in Texas habe »uns in unserer Entschlossenheit bestärkt, gegen die milliardenschwere kriminelle Schmugglerindustrie vorzugehen, die Migranten ausnutzt, und unsere Bemühungen zu verstärken, die Ursachen der Migration zu bekämpfen«.
Seit Biden im Januar 2021 das Präsidentenamt übernommen hat, betont seine Regierung, die Ursachen für die Migration aus Zentralamerika und Mexiko – unter anderem Armut und brutale Bandengewalt – bekämpfen zu wollen. Als Verantwortliche ernannte er seine Vizepräsidentin Kamala Harris. Harris reiste in der Vergangenheit mehrfach nach Mexiko sowie Mittelamerika, wobei sie verschiedene Investitions- und Hilfsprogramme ankündigte. Zuletzt verkündete sie beim Amerikagipfel in Los Angeles im Juni ein 1,9 Milliarden US-Dollar schweres Paket, mit dem der Privatsektor in zentralamerikanischen Ländern gefördert werden soll. Ziel sei es, »den Menschen in der Region Hoffnung zu geben, damit sie sich zu Hause ein sicheres und wohlhabendes Leben aufbauen können«, erklärte das Weiße Haus damals. Im vergangenen Jahr betrugen die Zahlungen nach El Salvador, Guatemala und Honduras 1,2 Milliarden Dollar.
Dass Washingtons Strategie jedoch keineswegs nur aus Hilfs- und Investitionsprogrammen besteht, machte Biden auch am Dienstag wieder klar. So wird in der Erklärung nach dem Treffen mit López Obrador unterstrichen, dass strenge Kontrollen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA beibehalten werden sollen. Zudem betonten die beiden Staatschefs, dass Mexiko 1,5 Milliarden US-Dollar bis 2024 in die Aufrüstung der rund 3.200 Kilometer langen Grenze investieren werde, größtenteils in Infrastruktur wie Kameras, Überwachungstürme und andere Technik.
Die Beziehungen zwischen den USA und ihrem südlichen Nachbarn hatten in den vergangenen Wochen merklich gelitten. Nicht nur boykottierte López Obrador den Amerikagipfel im Juni, nachdem der Gastgeber Kuba, Venezuela und Nicaragua von diesem ausgeladen hatte. Auch kritisierte der mexikanische Präsident die Energiepolitik der USA, deren »Kampf gegen die Drogen« sowie die Verfolgung des australischen Journalisten Julian Assange. Assange, der in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis auf das Ergebnis seiner Revision eines Auslieferungsbescheids an die USA wartet, drohen dort 175 Jahre Haft. Sein »Verbrechen«: die Aufdeckung von Kriegsverbrechen Washingtons in Afghanistan und im Irak.
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