Trick mit Tüte
Von Oliver Rast
Einige halten sich für besonders pfiffig. Edeka, Netto, Norma und Rossmann etwa. Denn Einwegplastiktüten dürfte es an den Kassen von Supermärkten und Discountern nicht mehr geben. Die sind hierzulande seit Jahresbeginn verboten. Das Problem: Unter das Verbot fallen Plastiktüten (einschließlich »Bioplastiktüten«) mit einer Wandstärke von 15 bis maximal 49 Mikrometern. Die besagten Handelsketten unterlaufen de facto die gesetzliche Regelung, halten um wenige Mikrometer dickere Plastiktüten für ihre Kunden bereit – und deklarieren diese wegen ihrer Festigkeit werbewirksam als Mehrwegtüten.
Ein »leicht durchschaubarer und dreister Trick«, so die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in einer am Donnerstag vor einer Woche verbreiteten Mitteilung. Hier würden Verbraucher an der Nase herumgeführt. »Statt Umwelt- und Klimaschutz zu hintertreiben, sollten die Händler die möglichst häufige Verwendung von Mehrwegtragetaschen fördern«, wurde Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der DUH, zitiert. Zuvor, im Januar des Jahres, hatte die Umweltorganisation eine Umfrage unter den 13 größten deutschen Lebensmitteleinzelhändlern und Drogerien zum Verbot von Einwegplastiktüten gestartet und ausgewertet.
Und die ertappten Handelsketten, was sagen die? Edeka wies am Mittwoch gegenüber jW den Vorwurf zurück, Gesetzesregeln zu umgehen: »Das ist nicht der Fall.« Der Lebensmittelriese spricht lieber von »Mehrwegschlaufentaschen« und einem »ausgewogenen Mix in unserem Sortiment, um die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse oder Umweltaspekte bestmöglich zu erfüllen«. Ferner würden Aufdrucke auf den »Schlaufentaschen« Verbraucher motivieren, diese öfter zu verwenden. Und nicht zuletzt bestünden jene aus recyceltem Material. Kurzum, »unsere Kunststofftaschen sind nicht vom Einwegplastiktütenverbot betroffen«, so das Edeka-Presseteam. Ähnlich argumentierte die Drogeriekette Rossmann gleichentags auf jW-Anfrage. Alles sei gesetzeskonform. »Kundenseitig« bekäme das Unternehmen »zurückgespiegelt«, dass »unsere Taschen mehrfach im Einsatz sind, da ihre Wandstärke die vielmalige Verwendung möglich macht«.
Plumpe Rechtfertigungsversuche, kaum mehr, so die DUH. Deshalb fordern die Umwelthelfer Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zum Nachbessern des Plastiktütenverbots auf. Dem »unseriösen Treiben der Händler muss ein Ende gesetzt werden«, betonte DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Das dürfte schwierig werden. Der Grund: »Eine Erweiterung des Verbots auf Kunststofftragetaschen mit mehr als 50 Mikrometern Wandstärke ist derzeit europarechtlich unzulässig«, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums am Mittwoch gegenüber jW. Ministerin Lemke hoffe indes, dass »diese Schummeltüten jetzt schnell aus den Sortimenten der Lebensmitteleinzelhändler verschwinden«. Nur, darauf deutet momentan wenig hin.
Umso dringlicher fordert die DUH eine Verbotserweiterung. Auch auf bislang erlaubte sogenannte Hemdchen- und Knotenbeutel mit weniger als 15 Mikrometern Wandstärke zum Einpacken von Obst und Gemüse. Übrigens: Papiertüten sind keine ökologische Alternative, wie DUH und Handelsketten unisono betonten. Deren sogenannter CO2-Fußabdruck ist aufgrund erforderlicher Rohstoffmengen und Frachtkapazitäten bisweilen dreimal größer als bei Plastiktüten.
Was bleibt? Ganz einfach: das praktische, wiederverwendbare Mehrwegnetz für Obst und Gemüse – und, klar, der gute alte Jutebeutel.
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