Regierung in Angst
Von Frederic Schnatterer
Der Druck auf Ecuadors neoliberalen Präsidenten Guillermo Lasso wächst: Am Montag erreichten Tausende Indigene aus anderen Provinzen die Hauptstadt Quito, mobilisiert vom Indigenenverband Conaie. In einer deutlichen Drohgebärde meldete sich am Dienstag Verteidigungsminister Luis Lara von den Chefs der Streitkräfte flankiert zu Wort. Er erklärte, die Proteste stellten ein »ernsthaftes Risiko« für die Demokratie des Landes dar. Das Militär werde vor diesem Hintergrund »keinen Versuch zulassen, die verfassungsmäßige Ordnung zu stören oder gegen die Demokratie und die Gesetze der Republik vorzugehen«.
Seit Beginn der vergangenen Woche kommt es in dem südamerikanischen Land zu Protesten, Indigene halten in mehreren Provinzen wichtige Fernstraßen blockiert. Hintergrund der größten Mobilisierungen seit dem Aufstand 2019 ist die sich dramatisch verschlechternde soziale Lage, unter der gerade auch indigene Gemeinschaften leiden. So steigen die Preise für Lebens- und Düngemittel sowie für Treibstoffe derzeit drastisch an. Diesel verteuerte sich innerhalb des letzten Jahres um 90, Benzin um 46 Prozent. Grund dafür sind auch die westlichen Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs. Der Conaie fordert zehn Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Lage, darunter einen Schuldenschnitt für Millionen von der Landwirtschaft lebende Familien, ein Einfrieren der Spritpreise, Soforthilfen sowie ein Ende extraktivistischer Aktivitäten in indigenen Gebieten.
Präsident Lasso scheint jedoch nicht gewillt, den Forderungen nachzukommen. Zwar behauptete er am Montag per Twitter, seine Regierung habe »die Hand ausgestreckt« und »zum Dialog aufgerufen«. Jedoch verbunden mit dem Vorwurf, die Protestierenden wollten »keinen Frieden, sie wollen Chaos. Sie wollen den Präsidenten loswerden.« Ebenfalls am Montag verhängte Lasso einen neuen Ausnahmezustand. Zu den Maßnahmen, die von zuvor drei auf nun sechs Provinzen ausgeweitet wurden, gehört der Einsatz von Militärs gegen Protestierende. In Quito herrscht von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens eine Ausgangssperre. Gleichentags wurde der Tod eines 22jährigen am Rande einer Demonstration in der Hauptstadt bekannt.
Das Parlament, in dem Lassos Partei Creo über keine Mehrheit verfügt, forderte den rechten Regierungschef am Montag dazu auf, die Repression gegen die Protestbewegung einzustellen und statt dessen in Dialog mit deren Vertretern zu treten. Ein solcher müsse »ernsthaft, klar und ehrlich« sein, hieß es in dem Beschluss, dem 81 der 137 Abgeordneten zustimmten. Der Conaie-Vorsitzende Leonidas Iza, der vergangene Woche festgenommen worden war, betonte, man sei erst zum Dialog bereit, wenn die Regierung garantiere, über alle Forderungen zu sprechen. Wie mehrere Medien berichteten, geht es einem großen Teil der Protestierenden mittlerweile jedoch um nicht weniger als einen Sturz der rechten Regierung.
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