Kämpfen für Entlastung
Von Steve Hollasky, Dresden
Ob in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Psychiatrien beschäftigt: Anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden haben am Donnerstag Belegschaften aus dem Gesundheitswesen bundesweit mit Protestaktionen auf die Missstände in ihrer Branche aufmerksam gemacht. Laut Verdi sollte damit vor allem die unzureichende Personalausstattung in der Pflege und der dringende politische Handlungsbedarf aufgezeigt werden. Die Gewerkschaft kritisierte dabei insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für seine Untätigkeit. So warf ihm Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler in einer Erklärung vom Donnerstag vor, »elementare Probleme der viel zu geringen Personalausstattung« nicht zeitnah angehen zu wollen. SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP hätten im Koalitionsvertrag versprochen, kurzfristig ein Instrument zur bedarfsgerechten Personalbemessung in der Krankenpflege einzuführen. Das müsse nun endlich umgesetzt werden. »In der Bevölkerung mögen viele die aktuelle Coronalage als Atempause wahrnehmen, doch in den Krankenhäusern ist keine Entspannung eingetreten«, erklärte Bühler.
Auch in Dresden stand der »Walk of Care« unter dem Vorzeichen der Personalnot. Denn hier habe sich in den vergangenen Jahren kaum etwas zum Besseren verändert, erklärte die Sprecherin des für die Demonstration zuständigen Bündnisses bei einem Pressetermin vorab. Klinikschließungen, Privatisierungen und Personaleinsparungen würden fortgesetzt. Daniel Herold, Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft Verdi Sachsen West-Ost-Süd, kritisierte weiter, dass durch die Art der Finanzierung des Gesundheitswesens private Klinikbetreiber im Vorteil seien und kommunale Kliniken, die Vollversorgung anböten, häufig rote Zahlen schrieben. Gesundheitswesen und Pflege gehörten in öffentliche Hand, so die Schlussfolgerung des Bündnisses.
Bemerkenswert war, dass auch in diesem Jahr wieder Beschäftigte des Universitätsklinikums Dresden (UKD) am »Walk of Care« teilnahmen. Seit Jahren kämpfen sie gemeinsam mit Verdi, um einen Tarifvertrag zur Entlastung (TVE) durchzusetzen – ähnlich wie in NRW. Der von der Gewerkschaft angestrebte TVE soll Mindestpersonalausstattung für viele Bereiche des Uniklinikums festlegen und Belastungsausgleiche bei Unterschreitung vorsehen. Die Forderungen wurden am Donnerstag in Form einer von 2.587 Beschäftigten unterzeichneten Petition an die Leitung des UKD übergeben. Konkret gehe es darum, mit dem Management einen Tarifvertrag zur Entlastung abzuschließen, in dem vereinbart werden soll, »wie viel Arbeit durch eine Pflegekraft« zu leisten ist, wie Krankenpfleger Gregor Fuhrmann im Gespräch mit jW erläuterte. Dabei solle auch ein Mechanismus festgelegt werden, der in Kraft trete, wenn die Arbeit überhandnähme »oder zu wenige Kollegen« anwesend seien, so Fuhrmann.
Nach Übergabe des Forderungskatalogs reihten sich die Kolleginnen und Kollegen des UKD in den »Walk of Care« ein. Gegenüber der jW erklärte Fuhrmann, man beteilige sich an der Protestaktion, weil diese »ein Forum« für die Anliegen der Beschäftigten des UKD sei. Am Internationalen Tag der Pflegenden sei außerdem wichtig, Solidarität mit Beschäftigten anderer Bereiche wie der Altenpflege zu zeigen.
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