Oberkritiker des Tages: Mathias Döpfner
Von Alexander Reich
Mathias Döpfner hat es weit gebracht. Dem Springer-Vorstandschef gehören Welterbeschlösser in Berlin und Potsdam, vor anderthalb Jahren bekam er von Friede Springer ein Aktienpaket im Wert von einer Milliarde Euro geschenkt. Aber auch dieser Manager hat mal klein angefangen, nämlich als unscheinbarer Musikkritiker der FAZ. 1982 war das, Döpfner war 19 und verschaffte sich schnell einen Überblick über das Genre. »Musikkritik in Deutschland nach 1945« hieß die Dissertation, mit der er 1990 an der Uni Frankfurt an Main zum Dr. phil. promoviert wurde.
Jetzt haben »Plagiatsjäger« die Doktorarbeit gelesen. Im Kapitel »Musikjournalismus bis 1945« ist ihnen aufgefallen, dass Döpfner eine Dissertation eines gewissen Helmut Andres, angenommen 1938 an der Uni Heidelberg, zunächst in Bausch und Bogen verdammt als »unverhohlen faschistische Kultur-Ideologie« und »oberflächlich gearbeitete Untersuchung« – nur um dann in der Folge alles daraus abzuschreiben. Es geht bei Döpfner um dieselben Kritiker und Komponisten, in derselben Reihenfolge. Er hat Formulierungen verschlimmbessert. Und wo er seltene Literatur – etwa in Kurrentschrift – zitiert, wiederholt er Andres’ Fehler in den Quellenangaben: mal das falsche Erscheinungsjahr, mal den Ort, mal den fehlerhaften Titel.
Ob die Uni ihm seinen Titel aberkennt – die Prüfung läuft –, dürfte Döpfner herzlich egal sein. Er ist dem »Plagiatsmuster« seither treu geblieben, etwa als uninspirierter Gastautor der AfD-nahen »Achse des Guten«. Dreimal täglich geht ihm das Abendland unter. Der »letzte und einzige Journalist«, der im »neuen DDR-Obrigkeitsstaat« einem Heer von »Propaganda-Assistenten« die Stirn bot, war für ihn Julian Reichelt. Als der bei Bild nicht mehr zu halten war, blieb Döpfner Präsident des Bundesverbands der Zeitungsverleger. Deren Vertrauen hat er.
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