Längst Kriegspartei
Von Wiebke Diehl
Überraschend kommt die Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags keinesfalls. Sie bestätigt nur noch einmal schwarz auf weiß, was die politischen Entscheidungsträger auf Teufel komm raus zu verbergen suchen: Nicht nur gibt es deutlich mehr völkerrechtliche Grauzonen, als die »Völkerrechtlerin« Annalena Baerbock zugeben will. Nein, die Bundesregierung und der Bundestag haben Deutschland längst zur Kriegspartei gemacht – Ausgang völlig ungewiss.
Dumm ist Baerbock allerdings nicht, oder zumindest wird sie gut beraten: So betont die Bundesaußenministerin gebetsmühlenartig und durchaus in Übereinstimmung mit den Wissenschaftlichen Diensten, die Lieferung von Waffen – auch schwerer oder »offensiver« – sei völkerrechtlich nicht als Kriegseintritt zu werten, weil dadurch das völkerrechtlich verbriefte Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung unterstützt werde. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten, mit der die Schwelle zweifellos überschritten wird, hingegen spart sie geflissentlich aus.
Ohnehin beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn selbst wenn man sich der Annahme anschließen wollte, die Lieferung schwerer Waffen in ein Kriegsgebiet sei rechtlich unproblematisch, so ist sie ganz sicher nicht in Einklang zu bringen mit einer von den Grünen postulierten »wertebasierten« Außenpolitik. Und schon gar nicht mit dem von Bundeskanzler Olaf Scholz angeführten Amtseid und seinem Versprechen, »alles« zu tun, »um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg« und einem Atomkrieg führen könnte – was er dann nur 72 Stunden später mit einem Kotau vor grünen und liberalen Bellizisten ad acta legte. Vor allem aber ist es, anders als von Baerbock behauptet, eben nicht eine rein willkürliche Entscheidung Putins, wann Deutschland von Moskau als Kriegspartei eingestuft wird. Vielmehr entscheiden über eine Überschreitung der Schwelle zum Kriegseintritt völkerrechtliche Kategorien – und vor allem die anscheinend unerschöpfliche Bereitschaft der NATO zu eskalieren, bis es zu spät ist.
Dem russischen Präsidenten dürfe kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf Europa, ja auf die ganze Welt, geliefert werden, fordern 28 Prominente in ihrem offenen Brief an Olaf Scholz, den inzwischen fast 160.000 Menschen unterzeichnet haben. Gewarnt wird darin, dem Irrtum aufzusitzen, die »Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt« gehe »allein den ursprünglichen Aggressor« an »und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern«.
Spätestens seit Putin und sein Außenminister Lawrow verdeutlicht haben, dass sie die Lieferung schwerer Waffen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen als Kriegseintritt werten, hilft auch Baerbocks Wortklauberei nicht mehr. Denn eskaliert wird längst, und zwar »sehenden Auges«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Dieter R. aus Nürnberg ( 3. Mai 2022 um 08:09 Uhr)Völkerrecht, einschließlich UNO und sonstige friedenssichernde, konfliktlösende Institutionen, existieren nur noch formal, faktisch wurden sie durch die vom »Werte-Westen« willkürlich inszenierten und geführten Regime-Changes, Länderbombardierungen und Verwüstungen längst eliminiert und bedeutungslos. Bei Bedarf werden sie aber bekanntlich regelmäßig gegen den jeweiligen Feind instrumentalisiert zur Rechtfertigung und Vertuschung eigener Verbrechen. Ob Deutschland Kriegspartei ist, werden nicht durch Wortklaubereien entscheiden, sondern auch, ob sich Russland veranlasst sieht, auf deutsche Waffenlieferungen und sonstige militärische Unterstützung ebenso militärisch zu reagieren. Das verantwortungsloseste und unfähigste Parlament in der bundesdeutschen Geschichte zockt nun nach der Energieversorgung auch noch mit Frieden und Sicherheit in unserem Land und weltweit. Die Aktionen gegen die Kriegstreiber Baerbock, Habeck, Scholz & Co, waren gut – aber nur massenhafter Widerstand kann diese Leute in ihrem abgehobenen Wahn stoppen.
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Leserbrief von Holger K. ( 2. Mai 2022 um 21:50 Uhr)Der Kapitalismus hat es so an sich, dass er in seinem Gebaren und Handeln recht oft va banque spielt, ganz so wie an der Börse auch, wo Spekulationen typisch sind. Besonders ausgeprägt ist dies in seiner imperialistischen Ausführung, wo Abenteuer jedweder Art an der Tagesordnung sind. Und wie das bei Abenteuern so ist, ist der jeweilige Ausgang ungewiss, sodass alles halt auf eine Karte gesetzt wird, hoffend, dass alles wohl klappen wird.
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