Eindeutiges Votum
Von Susanne Knütter
Unter Interessierten machte es schon am 1. Mai, dem Kampftag der Arbeiterklasse, die Runde. Am Montag dann bestätigte Verdi offiziell das Ergebnis der Urabstimmung: 98,31 Prozent der Beschäftigten, die sich an der Wahl beteiligt hatten, stimmten für Streiks an den sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen. Und das eindeutige Votum ging nicht nur von Verdi-Mitgliedern aus. An der Abstimmung hätten sich mehr Beschäftigte beteiligt, als Verdi Mitglieder habe, sagte Gabriele Schmidt, Landesbezirksleiterin NRW, auf einer Pressekonferenz am Montag in Düsseldorf. Erste Arbeitsniederlegungen »in geringem Umfang« gab es bereits am Montag, weitere gibt es diesen Dienstag. Grund ist, dass der Arbeitgeberverband des Landes (ADL) Aufforderungen zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung nicht nachgekommen ist und das von den Beschäftigten gesetzte Ultimatum von 100 Tagen hat verstreichen lassen. Verdi habe dem Interessenverband sieben Termine genannt, doch dieser sei nicht einmal zu Verfahrensgesprächen bereit gewesen, erläuterte Heinz Rech, Leiter für Tarifpolitik bei Verdi.
Inzwischen hätte sich auf Landesebene jeder Vertreter der einzelnen Parteien bei verschiedenen Veranstaltungen für einen Tarifvertrag Entlastung ausgesprochen. Diese Bekundungen seien leider erst in den letzten 14 Tagen erfolgt. Zuletzt habe Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf der DGB-Kundgebung am Sonntag in Dortmund Unterstützung für einen TV-E signalisiert. Schmidt erklärte, die Zustimmungen aus den Parteien höre man, aber sie reichten nicht aus. Denn ohne Verhandlungen mit dem ADL sei »kein Tarifvertrag in Aussicht«. Auch auf die Zusammensetzung einer neuen Landesregierung zu warten, erhöhe nicht die Chancen auf Erfolg.
Verdi-Landesfachbereichsleiterin Katharina Wesenick machte deutlich, warum das Ergebnis der Urabstimmung unter den insgesamt 36.000 Beschäftigten an den sechs Kliniken so eindeutig ist. Einst habe es eine Personalbemessung per Gesetz in der BRD gegeben. In den meisten Ländern gebe es Regelungen, die das Zahlenverhältnis von Patienten zu Beschäftigten festlegen. Inzwischen fehlten 200.000 Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege. Aber die Wiedereinführung der Personalbemessung lasse auf sich warten. Es hätte sich gezeigt, so Wesenick, dass die Sterblichkeit steigt, wenn eine Fachkraft mehr als sieben Patienten zu betreuen hat. In deutschen Krankenhäusern müsste sich eine Fachkraft oft sogar um bis zu 20 Patienten kümmern. Angemessene Personalschlüssel einzuführen, sei, so Wesenick, eigentlich eine politische Aufgabe und nicht die der Gewerkschaft und der Beschäftigten.
Krankenhäuser in der BRD werden heute allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt. Davon sind alle Bereiche betroffen. Auch in der Reinigung, der Sterilisation, dem Transport oder der Küche sei über die Jahre Personal aus Kostengründen abgebaut worden. Welche Auswirkungen das hat, beschrieb Songül Özmen für die Küche am Universitätsklinikum Düsseldorf. Mit den heißen, kiloschweren Tellern, die tagtäglich zu transportieren sind, ruinierten sich die Kollegen Gelenke und Rücken. »Wir machen das Essen für die Patienten, damit sie gesund werden, und werden selbst krank dabei«, so Özmen. Im aktuellen Tarifkampf fordern sie und ihre Kollegen daher mehr Personal, sowohl Köche als auch Assistenten, und – ebenso wie die Pflegekräfte – einen Belastungsausgleich, wenn sie unterbesetzt arbeiten müssen.
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