Der große Aufmarsch
Von Reinhard Lauterbach
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hält ein Kriegsende in der Ukraine erst für möglich, wenn Russland sich vollständig aus dem Land zurückgezogen hat. Gegenüber Bild am Sonntag sagte sie am Wochenende wörtlich: »Ein Frieden zu Bedingungen, die Russland diktiert hat, würde weder der Ukraine noch uns in Europa die ersehnte Sicherheit bringen.« Statt dessen wäre er »die Einladung zum nächsten Krieg – noch näher an unseren Grenzen«. Auch die gegen Russland verhängten Sanktionen könnten erst aufgehoben werden, wenn sich Russland vollständig zurückgezogen habe. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk beschäftigte sich gegenüber demselben Blatt damit, gute und schlechte Deutsche zu sortieren. Insbesondere nannte er Exkanzler Gerhard Schröder einen »Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft«.
Auch die britische Regierung drehte am Wochenende weiter an der Eskalationsschraube. Das Verteidigungsministerium kündigte an, im Sommer 8.000 Mann Bodentruppen und Dutzende Panzer zu NATO-Übungen entlang der ganzen Grenze der westlichen Militärallianz zu Russland zu entsenden. Dabei sollten auch Truppen aus Schweden und Finnland – deren Regierungen einen NATO-Beitritt planen – einbezogen werden. Wie nach einem Bericht des Guardian das Verteidigungsministerium in London einräumte, waren diese Manöver bereits seit längerer Zeit geplant, und sie seien »unter dem Eindruck der russischen Invasion in der Ukraine« »verstärkt« worden. Der Kommandeur der britischen Landstreitkräfte, General Ralph Woodisse, sagte, der geplante Militäreinsatz werde »in einem in diesem Jahrhundert noch nicht gesehenen Ausmaß von Aggressionen abschrecken«. Nach russischen Medienberichten von Ende April sollen schon jetzt britische Spezialkräfte in der Westukraine Sabotageakte gegen russische Einrichtungen und Truppen vorbereiten. Die britische Regierung lehnte es ab, solche Meldungen zu kommentieren.
In der Ukraine feuerte Russland nach eigenen Angaben mehrere Raketen auf den Flughafen von Odessa ab. Dabei seien die Landebahn und eine Lagerhalle für westliches Militärmaterial zerstört worden. Bei anderen Angriffen wurden nach ukrainischer Darstellung bei Mikolajiw eine Düngemittelfabrik und im Bezirk Dnipropetrowsk ein Getreidelager zerstört. Menschen seien nicht zu Schaden gekommen. Auf russischer Seite mehren sich Anzeichen für weitere Anschläge auf Infrastrukturobjekte. So zeigten – nicht unabhängig zu überprüfende – Fotos aus sozialen Netzwerken eine Rauchsäule, die angeblich bei Belgorod in den Himmel stieg, und der Gouverneur des Gebiets Kursk berichtete über einen Sabotageakt an einer Bahnlinie in der Region. Dadurch sei eine Brücke unpassierbar gemacht worden.
In Odessa haben die ukrainischen Behörden nach eigenen Angaben eine Gruppe von etwa 20 Personen festgenommen, die Kundgebungen zum Gedenken an das Pogrom im Gewerkschaftshaus am 2. Mai 2014, bei dem 48 Menschen ums Leben gekommen waren, vorbereitet haben sollen. Um solche Gedenkveranstaltungen, die bisher jedes Jahr stattgefunden haben, diesmal zu unterbinden, verhängten die Behörden vom 1. bis zum 5. Mai eine völlige Ausgangssperre über die Hafenstadt. Aus ukrainischen Städten, die von russischen Truppen kontrolliert werden, wurden kleinere Maikundgebungen gemeldet.
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