CDU darf an der Küste durchatmen
Von Kristian Stemmler
Nach der Klatsche im Saarland Ende März dürfte die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am Sonntag kommender Woche Balsam für die Seele der CDU sein. An der Saar büßte die Partei auf einen Schlag 12,2 Prozent der Wählerstimmen ein und Tobias Hans musste das Ministerpräsidentenamt an Anke Rehlinger (SPD) abtreten. In Kiel wird der amtierende Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach den aktuellen Umfragen erneut als strahlender Sieger dastehen. Anders als in Nordrhein-Westfalen, wo eine Woche später gewählt wird und CDU und SPD in den Umfragen Kopf an Kopf liegen, ist Günthers CDU der SPD enteilt. Sowohl in der Umfrage von Infratest dimap für das ZDF als auch von der Forschungsgruppe Wahlen für die ARD bekommt die CDU 38 und die SPD 19 Prozent.
Die Zeichen stehen also eher auf Kontinuität, dennoch sind Änderungen zu erwarten. Denn nach fünf Jahren »Jamaika-Bündnis« – CDU mit Bündnis 90/Die Grünen und FDP – zeichnet sich ab, dass das nördlichste Bundesland künftig wieder von einem Zweierbündnis regiert wird. Nach den Prognosen könnte Günther eventuell auf die FDP verzichten, die bei sieben bis neun Prozent gesehen wird, und allein mit den Grünen weitermachen, die in den Umfragen bei 16, 17 Prozent liegen. Die Umfragewerte geben aber auch eine Koalition aus CDU und FDP her, wenn auch nur knapp. Politisch unwahrscheinlich ist eine große Koalition aus CDU und SPD.
Eine Koalition unter Führung der SPD wäre derzeit rechnerisch nur als Viererbündnis unter Einbeziehung der Grünen, der FDP und des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) möglich. Sollte die AfD nicht in den Landtag einziehen, würden sich auch die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung verändern. In einem solchen Fall könnte es rein rechnerisch auch für eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen reichen. Die hohen Werte der CDU sind offenbar auch der Beliebtheit von Günther zu verdanken, der in der entsprechenden Skala weiter deutlich vor der Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) und Thomas Losse-Müller (SPD). Könnten die Schleswig-Holsteiner ihren Regierungschef direkt wählen, würde der Amtsinhaber auf 61 Prozent kommen. Heinold und Losse-Müller sind mit zehn respektive neun Prozent weit abgeschlagen.
Seit 2017 regiert »Jamaika« das Land zwischen den Meeren und das offenbar relativ geräuschlos. CDU, Grüne und FDP hätten sich doch bisher recht gut verstanden, konstatierte die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Donnerstag. Nur in Umweltfragen hätten sich die Grünen von CDU und FDP »einbremsen lassen«. So sei die Zahl der Windräder nicht gewachsen. Beim norddeutschen Unternehmertag, von dem die SZ berichtete, hatte FDP-Wirtschaftminister Bernd Buchholz die besten Karten. Aber auch Heinold genieße Respekt bei Wirtschaftvertretern, bemerkte das Blatt, »weil unter ihrer Ägide der Landeshaushalt saniert wurde«.
Die Partei Die Linke versucht unterdessen, mit dem Slogan »Mach’s möglich« die 3,8 Prozent von 2017 vergessen zu lassen und wieder in den Landtag zurückzukehren. Ob ihr das angesichts der Zerwürfnisse in der Partei nach dem Beginn des Ukraine-Krieges noch gelingen kann, dürfte mehr als zweifelhaft sein. Das Nachrichtenportal des NDR analysierte am Donnerstag die neuen Umfrageergebnisse, die Infratest dimap im Auftrag des Senders geliefert hatte. Sämtliche Zahlen wurden genannt, auch für kleinere Parteien – die Linke kam mit keinem Wort vor.
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