Normalisierung schreitet voran
Von Knut Mellenthin
Der Iran und Saudi-Arabien setzen die Gespräche über eine Normalisierung ihrer Beziehungen fort. Vergangene Woche Donnerstag hat das fünfte Treffen seit Beginn der Verhandlungen im April 2021 in der irakischen Hauptstadt Bagdad stattgefunden. Das iranische Nachrichtenportal Nour meldete die Begegnung am Sonnabend, eine offizielle Bestätigung durch das Teheraner Außenministerium erfolgte am Montag,
Zu Inhalt und Verlauf der Gespräche gab es auch diesmal keine konkreten Angaben, der Stand der Dinge ist völlig unbekannt. Die Aussage des iranischen Außenamtssprechers, Said Khatibsadeh, das Treffen sei »positiv« verlaufen, muss vorläufig als diplomatische Routine gelten. Nour kommentierte am Sonnabend, »die positive Atmosphäre« des Gesprächs habe Hoffnungen geweckt, dass die beiden Länder einen Schritt zur Wiederaufnahme ihrer Beziehungen unternehmen. Außerdem hieß es dort, ein Treffen zwischen den Außenministern werde »in naher Zukunft erwartet«. Keine der Seiten hat das jedoch bisher bestätigt. Im übrigen hatten iranische Medien schon Mitte Oktober vermutet, die gegenseitige Eröffnung von Konsulaten in beiden Ländern werde »bald« stattfinden und erwarteten »eine volle Normalisierung« innerhalb der nächsten Wochen.
Unterdessen berichteten iranische Medien am Montag über die schweren Vorwürfe der in der jemenitischen Landeshauptstadt Sanaa regierenden Ansarollah (»Huthi«) gegen Saudi-Arabien. Unter Bruch eines vor kurzem von der UNO vermittelten Waffenstillstands und der damit verbundenen Vereinbarungen würde Riad nach wie vor den Flughafen von Sanaa blockieren, hieß es dort.
Am Sonntag habe zum ersten Mal seit sechs Jahren eine Passagiermaschine starten sollen, um Kranke zur medizinischen Behandlung in die jordanische Hauptstadt Amman zu bringen. Wenige Stunden vorher habe dieser Flug aber abgesagt werden müssen, weil keine Genehmigung aus Saudi-Arabien vorlag. Außerdem würde Riad Schiffe daran hindern, den jemenitischen Hafen Hodeida anzufahren. Das Verhalten Saudi-Arabiens und seiner »Koalition der Aggressoren« zeige deren fehlenden Friedenswillen, wurden Vertreter der Ansarollah am Montag in den iranischen Medien zitiert. Die Lage im Jemen, wo Riad seit 2015 einen Krieg führt, der hauptsächlich aus brutalen Luftangriffen besteht, ist der schwierigste Punkt in den Verhandlungen zwischen Iran und Saudi-Arabien.
Die Saudis hatten die diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen, nachdem am 2. Januar 2016 mehrere tausend Demonstranten ihre Botschaft in Teheran gestürmt und teilweise verwüstet hatten. Auslöser der Proteste war die Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen und Oppositionsführers in Saudi-Arabien gewesen. Insgesamt ließ das Regime an diesem Tag 47 politisch motivierte Todesurteile vollstrecken. Die damalige Regierung in Teheran unter Präsident Hassan Rohani verurteilte das gewalttätige Vorgehen der Demonstranten zwar aufs schärfste und ließ mindestens 100 von ihnen festnehmen. Das stellte Riad jedoch nicht zufrieden. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten war schon seit vielen Jahren sehr schlecht gewesen. Aus den von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichten Akten geht hervor, dass Saudi-Arabiens Politiker und Diplomaten die USA immer wieder zu Militärschlägen gegen den Iran gedrängt hatten.
Die Normalisierungsgespräche sind entsprechend schwierig. Im März hatte Teheran die Verhandlungen unterbrochen, nachdem in Saudi-Arabien an einem einzigen Tag 81 Menschen erneut hauptsächlich aus politischen Gründen hingerichtet worden waren. Unter ihnen sollen 41 Schiiten gewesen sein.
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