Aus Dover nach Ruanda
Von Ina Sembdner
Großbritannien macht Ernst: »Illegal« ins Land gelangte Asylsuchende werden künftig nach Ruanda abgeschoben. Ein entsprechendes Abkommen mit dem ostafrikanischen Land gaben der britische Premierminister Boris Johnson und die Regierung in Kigali am Donnerstag bekannt. Jeder Schutzsuchende, der »illegal« nach Großbritannien gelange, »kann nun nach Ruanda umgesiedelt werden«, sagte Johnson in einer Rede nahe der südenglischen Hafenstadt Dover. Ruanda habe die Kapazitäten, »Zehntausende Menschen in den kommenden Jahren« aufzunehmen. Johnson bezeichnete Ruanda als »eines der sichersten Länder der Welt«, das globale Anerkennung dafür genieße, Einwanderer »willkommen zu heißen und zu integrieren«.
Johnson verkündete zudem, dass künftig statt der Grenzbehörde die Marine die Aufgabe übernimmt, Flüchtlingsboote im Ärmelkanal abzufangen. Ziel sei es, dass es »kein Boot unentdeckt ins Vereinigte Königreich schafft«. Der Premier kündigte zusätzliche Mittel für Boote, Flugzeuge und Überwachungsausrüstung an, um im Ärmelkanal zu patrouillieren und »Schleuser« festzunehmen. Insgesamt überquerten im vergangenen Jahr nach Angaben des britischen Innenministeriums 28.526 Asylsuchende in 1.034 kleinen Booten den Ärmelkanal. Zu den Ländern, aus denen sie fliehen, gehören Afghanistan, Iran, Syrien, Irak, Sudan, Eritrea und Jemen. Wie eine Untersuchung des Refugee Council UK im November 2021 ergab, stellten 98 Prozent der Ankommenden nach der Überfahrt einen Asylantrag in Großbritannien, von den Antragstellern würde die Mehrheit als schutzbedürftig anerkannt.
Nach Angaben des ruandischen Außenministers Vincent Biruta sind in dem Abkommen britische Zahlungen in Höhe von bis zu 120 Millionen Pfund (144 Millionen Euro) vorgesehen. Die Asylsuchenden sollen dem Minister zufolge »in Gemeinden im ganzen Land integriert werden«. Ihnen solle ermöglicht werden, »sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen, wenn sie sich dafür entscheiden«.
Von der UNO, Menschenrechtsaktivisten und Flüchtlingshelfern wurde das Abkommen scharf kritisiert. »Menschen, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, verdienen Mitgefühl und Empathie«, erklärte Gillian Triggs, hochrangige Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). Sie sollten »nicht wie Ware gehandelt« werden. Nadia Hardman von Human Rights Watch sprach von einem »feigen, barbarischen und inhumanen« Umgang mit Menschen, die vor Verfolgung und Krieg flüchteten. Tim Naor Hilton von der Organisation Refugee Action warf der britischen Regierung vor, ihre Verantwortung, »einigen der am wenigsten geschützten Menschen auf dem Planeten zu helfen, in frühere europäische Kolonien auszulagern«.
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