»Die Projekte werden nun durchgewinkt«
Von Kristian Stemmler
Der Verteidigungsausschuss des Bundestags hat vergangene Woche der Anschaffung von 140 bewaffneten Militärdrohnen des israelischen Modells »Heron TP« zugestimmt. Ohne die versprochene öffentliche Debatte erhält die Bundeswehr damit also Kampfdrohnen. Was sagen Sie zu diesem Vorgehen?
Von einer öffentlichen Debatte war in der vergangenen Legislaturperiode noch die Rede gewesen. Das erwies sich aber bei den tatsächlich erfolgten Online-Hearings als Farce. Bereits bekannt war der Beschluss zur Beschaffung von sieben offiziell unbewaffneten israelischen »Heron TP«-Kampfdrohnen. Angesichts des von Bundeskanzler Scholz angekündigten »Sondervermögens« für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro kann das derzeitige Vorgehen aber nicht überraschen. Diese Entscheidung ist als Aufforderung zu verstehen, alle derzeit noch in der Diskussion befindlichen Rüstungsprojekte einfach durchzuwinken.
Im Eiltempo sollen nun 152,6 Millionen Euro für die Drohnen freigegeben werden. Die Begründung: Wegen des Ukraine-Krieges bestehe »dringender Bedarf«, die Bewaffnung der Drohnen »zeitnah« in Auftrag zu geben. Nur sollen die Drohnen erst binnen zwei Jahren geliefert werden. Ist der Verweis auf den Krieg also nur ein Vorwand?
Alle aktuellen Aufrüstungsprogramme erfolgen unter Vorwänden. »Dringender Bedarf« wird von der Bundesregierung tatsächlich an ganz anderer Stelle gesehen. Da die Anschaffung der »Heron TP« nur als Zwischenschritt zur Entwicklung der Eurodrohne angesehen wird, wird diese vor allem zur Gewinnung praktischer Erfahrungen angesehen, die man zu deren Einbindung in große Rüstungsprojekte wie FCAS (maßgeblich von Deutschland und Frankreich vorangetriebenes Luftkampfsystem, jW) benötigt.
Sind Sie überrascht, dass SPD und Bündnis 90/Die Grünen alle Zusagen bei dem Thema so schnell gebrochen und nur Die Linke im Ausschuss gegen diesen Schritt gestimmt hat?
Nein. Man musste bei den bisherigen Zusagen von SPD und Grünen ohnehin davon ausgehen, dass es sich dabei um parteiintern mühsam abgerungene Kompromissformeln gehandelt hat. Damit sollten die bisher noch vorhandenen friedenspolitischen Strömungen in diesen Parteien fürs erste ruhiggestellt werden. Durch den Ukraine-Krieg benötigt man jetzt aber offensichtlich keine Lippenbekenntnisse mehr für eine zutreffende völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Bewertung von Kampfdrohneneinsätzen.
Sie und andere Experten warnen davor, dass dieser Beschluss der Einstieg in einen quasivollautomatischen Krieg ist.
Der bundesweite Arbeitskreis gegen bewaffnete Kampfdrohnen hat dieses vor kurzem in einem Webinar unter dem Titel »Krieg mit künstlicher Intelligenz« mit mehreren Experten umfassend thematisiert. Kampfdrohnen sind kein »Risiko«, sondern militärtechnisch der erste Schritt hin zum vollautomatischen Krieg.
Wie sollen die Friedensbewegung und andere Kräfte jetzt auf diesen Beschluss reagieren? Wie kann der Protest aussehen?
Die Schwerpunktaktivitäten der Friedensbewegung richten sich – wie es sich auch bei den anstehenden Ostermärschen zeigen wird – gegen das 100 Milliarden Euro schwere »Sondervermögen« und den stark auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigenden sogenannten Verteidigungshaushalt. Bewaffnete Drohnen und die Entwicklung automatisierter Waffensysteme sind dabei zwar nicht die größten Kostenblöcke, aber beispielhaft für den Widersinn der weiteren Aufrüstung. Damit kann man auch den größeren Kontext aufzeigen: Aufrüstung mit künstlicher Intelligenz zur Vernichtung contra menschliche Intelligenz zur Rettung der Menschheit angesichts der dramatischen ökologischen Probleme.
Ansonsten stehen auch in diesem Jahr wieder Aktionen der Kampagne »Stopp Air Base Ramstein« an, die sich vor allem gegen den US-Drohnenkrieg richten. Bei diesem spielt das rheinland-pfälzische Ramstein sowohl technisch wie auch als logistische Drehscheibe für weltweit verteilte Drohnenstützpunkte eine zentrale Rolle. Der Protest richtet sich dagegen, dass die deutsche Bundesregierung diese völkerrechtswidrigen Praktiken unterstützt – jetzt auch mit der Anschaffung eigener Kampfdrohnen.
Karl-Heinz Peil ist in der Friedensbewegung aktiv, unter anderem in der Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V. in Frankfurt am Main
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