Hand in Hand
Von David Maiwald
Arbeitende gehen, wenn nicht in Kurzarbeit, außerhalb der Arbeitszeit im Supermarkt einkaufen. Was für große Teile der Bevölkerung während der Pandemiezeit beinahe ausschließliche Lebensrealität war, hat sich für die Handelsgrößen ausgezahlt. Schon 2021 wurde deutlich, dass große Supermarktketten zu den großen Gewinnern der Coronakrise zählen. Die Rewe-Gruppe habe auch im vergangenen Jahr »ihre Leistungsstärke unter den herausfordernden Bedingungen« der Pandemie »unter Beweis gestellt«, zeigte sich der Handelskonzern am Dienstag in einer Mitteilung erfreut.
Man sei »gestärkt aus der Krise gekommen«, bemerkte der Vorstandsvorsitzende Lionel Souque in einer Onlinepressekonferenz anlässlich der Präsentation der Jahresbilanz des Handelsriesen. Zwar litten die Baumarkt- und Touristiksparte des in 21 Ländern tätigen Konzerns 2021 durch Pandemiebeschränkungen, die bereits »2020 außerordentlich stark gewachsenen Umsatzerlöse im Lebensmittelhandel« hätten sich jedoch abermals gesteigert, teilte das Unternehmen mit. Demnach konnte Rewe im vergangenen Jahr mit einem Plus von 2,5 Prozent ganze 76,5 Milliarden Euro umsetzen. Der durch den Konzern eingestrichene operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stieg um 22 Prozent auf 1,49 Milliarden Euro. Unter dem Strich bedeutet das für die Rewe Group einen seit 2020 um satte 82 Prozent gestiegenen Gesamtgewinn von 756 Millionen Euro nach Steuern. Für das laufende Jahr kündigte die Handelsgruppe Investitionen von 2,3 Milliarden Euro an.
Angesichts des Kriegs in der Ukraine sei es rückblickend – offenbar auch angesichts der nun zunehmend abgeschnittenen Geschäftsbeziehungen zu Russland – »eine verdammt gute Entscheidung« gewesen, dass sich der Handelskonzern im Dezember 2020 und Mai 2021 nach 20 Jahren Aktivität aus der Ukraine und Russland zurückgezogen habe, kommentierte Souque. Der Krieg werde sich »mit massivem Einfluss« auf »Energiepreise, Logistik- und Rohwarenpreise« und damit auch auf den Lebensmittelhandel auswirken.
Es dürfte sich gewinnbringend auswirken, dass Handelsriesen wie Rewe seit Jahren Preisdruck auf Produzenten ausüben. Nach Preisgesprächen mit Erzeugern gefragt, beteuerte der Konzerngesamtverantwortliche für das Warengeschäft, Hans-Jürgen Moog, man nehme »die Themen der Landwirte sehr ernst«. Dem widersprach Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, am Dienstag im jW-Gespräch: »Wir erreichen seit Jahren längst nicht, was wir an Produktionskosten haben.« Im Rahmen des »Agrardialogs« habe man mit den Handelsgrößen Verträge schließen wollen, die den Bäuerinnen und Bauern kostendeckende Erzeugerpreise sicherten, so Janßen. »Aus diesem Dialog hat sich Rewe zurückgezogen – ernstzunehmende Partnerschaft sieht anders aus.«
Der Discounter Aldi hatte am Freitag angekündigt, Fleisch, Wurst und Butter ab dieser Woche »deutlich teurer« verkaufen zu wollen. Rewe hatte kurz darauf mitgeteilt, nachzuziehen, und den Schritt mit gestiegenen Kosten begründet. Privathaushalte dürfen nach der Energiepreisexplosion wohl mit weiter wachsenden Lebenshaltungskosten rechnen.
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