Krach bei VW
Von Bernd Müller
Bei Volkswagen in Wolfsburg wird ein neuer Betriebsrat gewählt. Bis Freitag haben die rund 67.000 Beschäftigten Zeit, ihre Stimme abzugeben. Doch der sieggewohnten Gewerkschaft IG Metall droht Ungemach: Auf sieben Listen treten Konkurrenten gegen sie an, darunter auch oppositionelle Gewerkschafter.
Frank Patta ist einer von ihnen. Er gilt als prominentester Herausforderer der amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Daniela Cavallo. Bis 2012 war er IG-Metall-Chef in Wolfsburg und diente danach Cavallos Vorgänger Bernd Osterloh sechs Jahre lang als Generalsekretär. 2014 zog er selbst in den Betriebsrat ein. Mit »Die andere Liste«, die er anführt, will Patta nun Cavallo Stimmen abjagen. Alle 15 Kandidaten der Liste sind Mitglieder der IG Metall.
Der Betriebsratsspitze um Cavallo wirft Patta vor, den Kontakt zur Basis verloren zu haben. »Der Betriebsrat hat sich in den letzten zehn Jahren immer mehr von der Belegschaft entfernt«, hatte er im Dezember laut Automobilwoche gesagt. Außerdem sei immer mehr Macht vom Betriebsrat auf dessen Leitung verlagert worden. Das will Patta ändern: »Wir müssen wegkommen von der Betriebsratsmonarchie, bei der Entscheidungen im kleinen Kreis fallen.« Und dafür brauche es mehr Nähe zur Belegschaft und weniger zum Konzernvorstand.
Mit dieser Haltung gelte Patta in der Gewerkschaft als Abtrünniger, berichtete nun das Handelsblatt am Montag. Er unterlaufe die Solidarität der Beschäftigtenvertretung, erklärte dem Bericht zufolge die Gewerkschaft. Die Opposition sei auf einem »Egotrip«, ihr gehe es nur um die Posten.
Ob das die wirkliche Motivation ist, lässt sich nicht überprüfen; aber Patta steht mit seiner Kritik nicht allein. Auch die Liste »Wir für euch« (WFE) hat zwei bisherige IG-Metall-Betriebsräte an ihrer Spitze – und die werfen der Betriebsratsspitze ebenfalls Intransparenz vor. Nur der engste Führungszirkel fälle Entscheidungen, die der Betriebsrat dann nur noch abnicke, so der Vorwurf. Mit neun Mitgliedern will WFE nun auch dagegenhalten.
Dass in diesem Jahr sieben verschiedene Listen mit IG-Metall-Mitgliedern zur Betriebsratswahl antreten, bezeichnete Patta gegenüber dem Handelsblatt als »reinigendes Gewitter«. Nach 16 Jahren mit Bernd Osterloh an der Spitze stehe das Gremium nun in einem Prozess der Neuorientierung. Bei der nächsten Wahl in vier Jahren werde es wieder weniger Listen geben, zeigte sich Patta überzeugt.
Von einer Schwächung der IG Metall dürfte vor allem das Management des Volkswagen-Konzerns profitieren. VW-Chef Herbert Diess hatte schon in der Vergangenheit von »zentralistischen Machtstrukturen« im Betriebsrat gesprochen. Die starke Stellung des Betriebsrates machten es angeblich schwer, den Konzern, vor allem aber den Standort Wolfsburg zu »reformieren«.
Cavallo ist da anderer Meinung. Dem Spiegel (11. März) sagte sie, gerade die Einmischung der Beschäftigten treibe den Wandel im Konzern voran. Wolfsburg werde auch deshalb zum »Standort für moderne Elektroautos« umgebaut, weil es der Betriebsrat gefordert habe. Sie will aber noch mehr: Mit einer »Radikalreform« der Mitbestimmung soll eine neue »Unternehmenskultur« entstehen. Zwar besetzen Vertreter der Belegschaft schon jetzt die Hälfte der Sitze im Aufsichtsrat, doch der Vorsitzende hat ein doppeltes Stimmrecht und kann die Beschäftigten so immer wieder übertrumpfen. Das sei »nicht mehr zeitgemäß«, so Cavallo.
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