Geduldete Aggression
Von Volker Hermsdorf
Nach den Kämpfen zwischen der venezolanischen Armee und bewaffneten Gruppen aus Kolumbien erhebt Caracas schwere Vorwürfe gegen die Regierung des Nachbarlandes und die USA. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro warf seinem kolumbianischen Amtskollegen Iván Duque vor, eine Konfrontation zwischen beiden Ländern zu wollen. In Abstimmung mit dem Südkommando der US-Streitkräfte würde Bogotá den Einfall bewaffneter Paramilitärs in den an Kolumbien grenzenden Bundesstaat Apure decken, erklärte Maduro am Sonntag (Ortszeit). Aus aufgezeichneten Gesprächen wisse er, dass die Strategie für Aktionen auf venezolanischem Territorium mit der Regierung in Bogotá, dem Geheimdienst und der Armee koordiniert werden, sagte Maduro.
Am 21. März war es im südlichen Bundesstaat Apure zu Zusammenstößen zwischen Einheiten der Bolivarischen Nationalen Streitkräfte (FANB) und aus dem Nachbarland eingesickerten Banden gekommen. Dabei waren zwei venezolanische Soldaten und sechs Paramilitärs getötet sowie 39 Eindringlinge festgenommen worden. Wie Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino López am Sonnabend mitteilte, konnte neben Waffen, Munition und Drogen auch technologische Ausrüstung gesichert werden, die Aufschluss über geplante Aktivitäten und Verbindungen der Täter gibt.
Padrino beschuldigte die kolumbianische Regierung und den US-Geheimdienst CIA, gewalttätige Gruppen zu fördern sowie mit logistischen und materiellen Mitteln zu unterstützen. Das Eindringen und Agieren auf venezolanischem Territorium müsse deshalb als eine von Duque geduldete Aggression betrachtet werden. Nach bisherigen Erkenntnissen seien die aus Kolumbien stammenden Banden neben anderen Verbrechen in Drogenhandel, Erpressung, Entführung, Menschenhandel, Schmuggel und illegalen Bergbau verwickelt und hätten die Zivilbevölkerung in der Grenzregion mit Angriffen auf öffentliche Einrichtungen eingeschüchtert, sagte der FANB-Befehlshaber. Venezuelas Streitkräfte versuchten deshalb mit einer als »Bolivarisches Schutzschild« bezeichneten Operation, die Bevölkerung im Grenzgebiet vor weiteren Angriffen aus dem Nachbarland zu schützen.
Kolumbien verbreitete eine von zahlreichen westlichen Medien ungeprüft übernommene Version der Vorfälle, nach der sich die Paramilitärs aus einer Dissidentengruppe der kolumbianischen Guerrilla FARC-EP rekrutiert haben sollten. Der Auslandssender Deutsche Welle zitierte als Beleg dafür einen namentlich nicht genannten »venezolanischen General im Exil« der am 21. März erklärt haben soll: »Heute morgen um fünf Uhr haben Flugzeuge das Lager eines FARC-Dissidentenführers beschossen.« Maduro ging indirekt darauf ein und erklärte zu den Behauptungen der kolumbianischen Regierung und westlicher Medien, dass »nach der Zerstörung des Friedensabkommens terroristische Zellen entstanden sind«, die von Bogotás Geheimdiensten »infiltriert wurden«. Der venezolanische Journalist Miguel Ángel Pérez Pirela wies in seinem TV-Programm »Desde Donde Sea« am Wochenende darauf hin, dass »wir seit Jahren die Anwesenheit von bewaffneten kolumbianischen Gruppen in Venezuela anprangern, die hier Verbrechen begehen«. Caracas’ Außenminister Jorge Arreaza warnte am Sonntag per Twitter: »Die Besessenheit von Iván Duque ist fatal.« Er forderte: »Kümmern Sie sich um Ihren ewigen Krieg. Nutzen Sie die Gringo-Militärbasen, um den Drogenhandel und die Gewalt zu beenden, nicht um sie zu schützen. Hört auf, soziale Anführer zu ermorden und haltet euer Chaos von Venezuela fern.«
Zeitgleich mit der Zuspitzung des Konflikts zwischen den beiden südamerikanischen Ländern berichtete die kolumbianische Wochenzeitung Semanario Voz am Sonnabend in ihrer Onlineausgabe über Pläne Duques zum Kauf von 24 US-amerikanischen F-16-Kampfflugzeugen. »Machen wir uns nichts vor«, kommentierte die Zeitung, das sind »Waffen des internationalen Krieges, für Konflikte über Grenzen hinweg. Und in Anbetracht des Hasses, den Präsident Duque gegen die bolivarische Regierung Venezuelas hegt, ist das Arsenal auf das Bruderland gerichtet«.
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